DÄMONENHASS
alten Zeiten bei Einbruch der Nacht in dieser Gegend aufhielten, haben wir unser Lager immer so dicht wie möglich an der Stätte der Aussätzigen aufgeschlagen. Denn einer Sache konnte man sicher sein: dass kein Lord der Sternseite hier jagen würde! Denn die Lepra erfüllt ihre finsteren Herzen mit Schrecken, und sie stellt für die Wamphyri eine ebenso große Gefahr dar wie sie, die Wamphyri, für uns!«
Und dank der Gnade ihres Sterns hatte Lissa sich an seine Worte erinnert ...
DRITTES KAPITEL
»Lardis«, sagte Misha, als er mit offenem Mund dastand und nicht wusste, was er sagen sollte, und schier zerbarst unter seinen vielen Fragen, »sieh dir erst das hier an.« Sie zupfte eine kleine Knoblauchzehe, Kneblasch, wie die Szgany es nannten, von einer Zwiebel, die mit mehreren anderen auf einem Regal über dem Herd lag, steckte sie in den Mund und begann zu kauen. Dann verzog sie das Gesicht, was jedoch eine ganz normale Reaktion war, und schluckte. »So«, sagte sie. »Für den Rest des Tages darf ich niemanden mehr anhauchen! Aber das ist die Sache wert. Jetzt gib mir eins von deinen Silberglöckchen.« Er fischte eins aus der Tasche und reichte es ihr. Misha rieb es zwischen den Handflächen, hängte es kurz an den Goldring in ihrem linken Ohr, drückte es sich an die Wange und führte es schließlich an die Lippen.
Sie gab ihm das Glöckchen zurück, ging zur Tür und riss sie weit auf. Das Tageslicht brandete herein und ergoss sich schimmernd über ihr schwarzes Haar, als sie ins grelle Licht der Morgensonne hinaustrat. Und während sie die Röcke wirbelte, die Nana Kiklu ihr während der langen Nacht geflickt hatte, sagte sie: »Unter all dem Dreck ist meine Hautfarbe noch die alte, Lardis, nicht etwa das leblose Grau eines Vampirs. Wenn ich gebadet habe – und das habe ich bitter nötig! – wirst du schon sehen. Doch sage mir: Was hältst du von der Bluse, die ich trage?«
Er sah genauer hin und erkannte, dass es eine von Lissas Blusen war. Die Machart und das Stickwerk seiner Frau waren unverkennbar. Endlich war er überzeugt, und nichts anderes hatte er letztlich gewollt. »Ja, ja.« Er zog sie wieder ins Haus. »Die hast du auch von Lissa, ich weiß. Aber jetzt ... erzähle mir von Jason!«
Misha sah ihn an. In Lardis’ Gesicht spiegelten sich Freude und Erwartung, aber auf das ihre hatte sich ein Schatten gelegt. Ihr Vater und ihr Bruder kannten diesen Ausdruck; sie sahen zu, dass Lardis sich hinsetzte und Andrei in seiner Nähe war, und zogen sich dann still in eine kühle, schattige Ecke zurück.
»Lissa hoffte«, begann Misha unbeholfen, »sie hoffte, dass du – dass du es ihr sagen könntest.«
Lardis stöhnte auf und ließ den Kopf hängen. Doch sogleich hob er ihn wieder und sagte: »Vor einer Stunde hatte ich alle Hoffnung aufgegeben, was euch betrifft, und jetzt sagst du mir, dass meine Frau am Leben und gesund ist.« Er sah sie scharf an. »Ihr ... ihr geht es doch gut, oder?«
Misha nickte. »Ein paar Beulen und Prellungen, das ist alles. Sie ist knapp davongekommen – wie wir alle –, aber das erzähle ich euch gleich.«
Lardis seufzte. »Demnach muss es für meinen Sohn ebenfalls noch Hoffnung geben. Ja, da bin ich mir sicher. Doch jetzt erzähle mir den Rest, und lass dir Zeit dabei, ich werde dich nicht unterbrechen. Aber erzähle alles, damit ich keine törichten, unbeholfenen Fragen mehr stellen muss.«
Sie nickte und begann: »Dein Haus auf dem Hang wurde zuerst überfallen. Aber Lissa hatte den Dunst, der sich von den Hügeln her ausbreitete, bemerkt. Sie löschte die Lampen und trat hinaus in den Garten. Ein Flieger hat euer Haus zerstört, Lardis. Er kam von Osten, folgte dem Verlauf des Vorgebirges und landete auf deiner Hütte. Sie ist unter dem Gewicht zusammengebrochen. Und auf dem Wesen – ritt ein Mensch!«
»Ein Wamphyri, ja«, knurrte Lardis. »Oder einer ihrer Offiziere. Ich hatte gedacht, dass es womöglich ein Krieger gewesen sein könnte, der alles verwüstet hat. Aber wenn ich jetzt darüber nachdenke, war der Gestank nicht ganz so schlimm.« Mit einem Nicken bedeutete er Misha, fortzufahren.
»Dieser Mann – dieser Vampir – war hochgewachsen und schlank und hatte kleine, tief liegende Augen«, fuhr das Mädchen fort. »Er war ganz in Schwarz gekleidet und trug einen schwarzen Umhang und schwarze Stiefel. Bis auf einen Haarknoten war sein Schädel rasiert. Er sah aus wie eine Leiche, bewegte sich aber so schnell und geschmeidig wie eine Schlange.
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