DÄMONENHASS
an den krampfhaften Bewegungen des schwarzen Dinges, das sich allmählich von Vasagis Rückgrat zu lösen begann.
»Dann hätte es immer noch die folgende Nacht gegeben«, antwortete Wran. »Aber das war wenig wahrscheinlich. Denn um hier eine weitere Nacht zu erleben, musste ein weiterer Tag überlebt werden. Und das war die andere Bedingung: Wir konnten nicht zur Sternseite zurückkehren, ehe die Sache zu Ende gebracht war. Oh ja, nur einer von uns durfte zurückkehren. Jeder andere Ausgang wäre als – nun ja, bestenfalls halbherzig? – und schlimmstenfalls als Feigheit ausgelegt worden. Aber weder der Sauger noch ich waren Feiglinge, und wir waren auch nicht halbherzig.«
»Das ... Ding da«, Nestor deutete mit dem Kinn auf Vasagis verstümmelte, gepeinigte, angepflockte Gestalt, »kommt aus ihm raus.«
»Sein Parasit? Oh ja, das tut er!«, antwortete Wran. »Denn er weiß, dass Vasagi verloren ist. Vielleicht hat er ... an anderer Stelle ... eine bessere Chance weiterzuleben?« Mit einem scheußlichen Grinsen legte er den Kopf auf die Seite.
»An anderer Stelle?« Nestor beobachtete die Bemühungen des Wesens, als es wie eine lange, gefurchte Schnecke aus Vasagi auf die harte Erde glitt. Es war blind, hatte keine Augen, dennoch schwenkte sein ›Kopf‹ in Wrans Richtung, als spürte es seine Anwesenheit. Es verharrte kurz und schwankte hin und her, als sei es erschöpft und stünde kurz vor dem Zusammenbruch. Alles in allem maß das mit Furchen überzogene Wesen vielleicht achtzehn Zoll, grüne Flecken verteilten sich auf der schimmernden schwarzen Haut, und hier und da klebte das vergossene rote Blut des Saugers an ihm.
»Ein starker neuer Wirtskörper«, lachte Wran leise. Es klang gurgelnd und erstickt. »Sein kostbares Blut würde ihm das Leben retten. Nur kann ich das nicht zulassen, denn in ihm ist viel zu viel von Vasagi selbst. Also ... gib mir dein Messer.«
Nestor reichte ihm das Messer, und bei seiner Bewegung wandte sich Vasagis Parasit ihm zu. Wran war schon beurteilt worden. Er besaß bereits einen Parasiten und kam daher als möglicher Wirt nicht in Frage. Aber Nestor ... besaß noch keinen Schmarotzer. Und mit langsamen, mühsamen Wellenbewegungen seines Unterbauches setzte es sich gleitend auf Nestor zu in Bewegung.
»Nicht doch, mein Freund!«, schrie Wran da auf. Er stürzte sich auf das Ding, packte den Leib mit eisernem Griff, trennte ihm mit einer blitzschnellen Bewegung den sechs Zoll langen ›Kopf‹ ab und schleuderte ihn beiseite, dass er auf dem dunstverhangenen Pfad landete. In dem Ding war nur noch sehr wenig Blut vorhanden, und es war sehr schwach. Zuerst wand und zappelte es wie ein frisch aus dem Fluss gefangener Fisch, doch nach kurzer Zeit lag es still. Wran erhob sich trat zurück und knurrte: »Und jetzt ... sieh es dir an!«
Nestor benötigte die Aufforderung nicht. Er konnte den Blick kaum von dem Wesen abwenden, das mittlerweile eine kränkliche, schimmernd graue Färbung angenommen hatte. Jetzt lag es auf dem Rücken, und sein Bauch leuchtete silbern im rasch heller werdenden Licht. In dem Schlitz, der vielleicht ein Zeugungsorgan war, bildete sich so etwas wie eine Blase. Wran zeigte darauf und sagte: »Ah ja, genau darauf habe ich gewartet! Es ist neu geboren und weiß noch von nichts. Ha, auf seine Weise ist es dir sehr ähnlich, Nestor! Oh ja, Vasagis Ei wird voll und ganz vom Instinkt gelenkt. Sieh nur!«
Die Blase war zu einer kleinen grauen Kugel angewachsen, die sicher nicht größer war als der Daumennagel eines Mannes. Sie löste sich von dem größeren Wesen und glitt über den Bauch der Kreatur zu Boden. Nestor sah, dass sich darin etwas bewegte. Er hatte als Kind einmal gesehen, wie Kaulquappen sich aus dem Froschlaich wanden, und das hier ähnelte dem Erlebnis. Nur war die Hülle des Eis eher eine Art Membran als ein Schleimklumpen. Plötzlich platzte es auf und gab seinen Inhalt frei. Die kleine silberne Kugel darin kam zappelnd hervorgeschossen. Sie war mit vielen Hundert winzigen Haaren bedeckt und flitzte unruhig zwischen den Steinen umher.
Wran sagte: »Ist das denn zu glauben? Verstehst du es überhaupt, Nestor? Dieses winzige harmlose Ding dort ... ist das, was du werden willst! Es ist Wamphyri!« Wieder ließ er sich auf ein Knie nieder, streckte die Hand nach dem Ding aus – und die Kugel rollte rasch über seinen Finger in seine Handfläche und drehte sich dort wie ein Kreisel. Er streckte die Hand aus, damit Nestor es besser sehen
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