DÄMONENHASS
beinahe schon einem Zusammenbruch glich. »Wenn ich ... gefehlt habe ...?«
»Hoch mit dir!«, zischte sie und zerrte ihn fast auf die Beine. »Vielleicht hast du gefehlt. Doch wenn das der Fall ist ... Nun, du bist nicht mein Knecht, und dich zu bestrafen, ist nicht meine Sache. Bisher habe ich keinen Grund, das zu wiederholen, was ich gehört habe.« Sie starrte ihn an, und ihre großen Augen öffneten sich noch etwas weiter. In ihnen brannte eine fast körperlich spürbare Glut, die sonst von dem geschnitzten Knochenreif auf ihrer Stirn und den kleinen, kreisförmigen Plättchen aus dunkelblauem Vulkanglas, die vor ihren muschelgleichen Ohren an den Schläfen befestigt waren, gedämpft wurde. Aber wenn sie die Türen zu der Hitze in ihrem Blick öffnete, wie sie es jetzt tat ... Sie sah den kalten Schweiß auf Biteris Stirn, die pochende Ader an seinem Hals, und fragte: »Fürchtest du mich, Historiker?«
»Ich bin nur ein Knecht«, gab er automatisch zur Antwort, die tatsächlich die einzige vollkommen sichere war. »Hier in Turgosheim herrschen die Wamphyri. Wenn ich etwas Falsches tue oder denke, sterbe ich vielleicht oder mir geschieht Schlimmeres! Daher fürchte ich niemanden außer mir selbst, denn meine Handlungen bestimmen die Art meines Daseins. Ich wiederhole: In Turgosheim herrschen die Lords und – natürlich – die Ladys.«
»Nur in Turgosheim?«
»Und in der ganzen Welt«, ergänzte er hastig, »wenn die Sonne untergegangen ist und die Schatten sich ausbreiten. Und was mich betrifft: Die Dinge sind, wie sie sind, und es obliegt mir, zu gehorchen, nicht, mich zu fürchten.«
»Dann gehorche mir jetzt«, befahl sie ihm mit leiser, sinnlicher, lebensgefährlicher Stimme, »und sprich nicht mehr über Kampfkreaturen, die in ihren Bottichen plärren. Ach, ich weiß, woher du dieses Geraune vernommen hast, das den Ängsten uralter Männer entspringt, deren Gelehrsamkeit sie ihre Manneslüste einbüßen ließ. Aber denke nicht mehr daran! Ach ja – solange du noch eigene Gedanken denken kannst!«
»Selbstverständlich, Lady, sehr wohl!«, gab er zur Antwort und folgte ihr, als sie zum Tributgesinde schritt.
Sie blieb stehen, nahm seinen Arm, als seien sie schon ihr Leben lang befreundet, und sagte: »Wusstest du eigentlich, Historiker, dass, so wie Maglore dich besitzt, auch ich einst einen vertrauten Knecht hatte? Nun ja, ich hatte derer viele, das ist wahr, aber jener war etwas ... Besonderes. Kein harter, stacheliger Offizier, sondern ein weichhäutiger Singvogel von der Sonnseite. Oh ja, er badete mich und sang mir Lieder vor! Doch leider reichten ihm die vielen Vertraulichkeiten, die ich ihm gewährte, nicht aus. Er wollte sich zu meinem Gatten aufschwingen und als Ebenbürtiger über Wrathspitze herrschen! Denn er war ein starker, hübscher, junger Mann, und schließlich war ich doch nur eine Frau, nicht wahr?«
Sie ließ seinen Arm los, und plötzlich war ihre Stimme kalt wie Eis. »Nun, dieser Tage singt er nicht mehr viel, allerdings muss ich einräumen, dass er ab und zu grunzt. Denn wenn ich nunmehr zu Bett gehe, hütet das meiste seiner warzigen Haut meine Türschwelle, und der Rest seines Gehirns windet sich unter der Peitsche meiner Gedanken!«
Karz erschauerte innerlich, als ihm einfiel, was er über den Hüter von Wrathas Schlafgemach gehört hatte – dass er nämlich einst ein hübscher Szgany-Knecht gewesen sein sollte, dessen Ehrgeiz größer als sein Glied gewesen war. Außerdem fiel ihm ein altes Sprichwort des Knechtvolkes ein: »Versuche nie, deinen Herrn zu verführen, weder durch Worte, noch durch Taten. Denke daran, dass die Verführung die erste und geringste seiner Künste war!«
Aber Wrathas Stimme klang wieder unbeschwert, als sie befahl: »Und jetzt musst du mir diese hübschen Tributjünglinge frisch von der Sonnseite zeigen.«
Das konnte der Historiker ihr nicht abschlagen. Ihr Vorschlag verstieß gegen die allgemeinen Regeln, aber sie hatte ihn dabei erwischt, wie er einen nicht ganz regelrechten Unterricht abhielt, und hatte ihn so in der Hand. Jetzt wollte sie gleichermaßen regelwidrig das Tributgesinde in Augenschein nehmen – nun gut, was konnte er dagegen tun? Nichts, nur beiseite treten, als sie lächelnd wie ein junges Mädchen unter sie trat, die Lady Wratha, vor fünfundneunzig Jahren tot und begraben, doch seit jener Zeit untot.
Als sie ihren Blick von ihm nahm, wunderte Karz sich aufs Neue über diese Absonderlichkeit. Er war fünfundvierzig
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