Daemonenmal
Fäulnis hervorbrachen, und der plötzliche widerlich süße Gestank hätte mir das Abendessen aus den tiefsten Tiefen meines Magens wieder hochkommen lassen – wenn ich denn eins gehabt hätte.
Himmel, ich wünschte, das würde weniger stinken. Andererseits ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass es tot ist. Und wenn dieses Ding da hinüber ist, habe ich zumindest ein beschissenes Problem weniger.
Keine Zeit. Ich kam wieder auf die Füße, schüttelte meine rechte Faust aus. Brocken von übernatürlichem Fleisch flogen davon und klatschten an die nächste Ziegelwand. Ich hechtete auf das Ende der Straße zu.
Der Trader war nur ein Mensch, und er hatte sein grandioses Geschäft noch nicht abgeschlossen. Er stand zwar unter dem Bann des Arkeus, aber noch hatte der ihm keine Superkräfte oder Unverwundbarkeit verliehen.
Der einzige aufgemotzte Mensch in der Gasse hier war ich. Gott sei Dank.
Ich grub die Finger in seine Schulter, stemmte die Absätze in den Boden und riss ihn mit einem Ruck zurück. Das Baby fiel und schrie aus vollem Hals. Noch in der Luft fing ich es ab. Vielleicht verkrampften sich meine Arme ein bisschen zu sehr, als ich es an meine Brust riss. Aber immerhin versuchte ich dabei, es möglichst nicht gegen den Messerknauf donnern zu lassen.
Dem Mann verpasste ich eine mit meiner höllisch verstärkten Rückhand. Verflucht noch mal. Was bitte soll ich jetzt damit anfangen?
Das viel zu kleine Baby war in eine grobe blaue Decke gewickelt, die nach Zigarettenrauch und Dreck roch. Ich hielt es ungelenk im Arm, während ich den jammernden und erbärmlichen Haufen von Mensch betrachtete, der gegen einen Müllhaufen gesunken war.
Tradern einhändig Handschellen anzulegen war für mich nichts Neues – aber noch nie hatte ich dabei ein kleines, strampelndes und plärrendes Bündel im Arm gehalten, das noch dazu nicht mehr allzu frisch duftete. Trotzdem war dieser Geruch immer noch reiner als der des verrottenden Arkeus. Ich überprüfte die Handschellen, drehte den Mann herum und sah mir seine Augen an. Hatte ich’s mir doch gedacht. Der Typ war eindeutig auf einem Trip, so träge, wie seine Pupillen schimmerten. Er war ein dünner, dunkelhaariger Mann mit Aknenarben auf den Wangen. Auf seinem Kinn glitzerte feuchter Speichel.
Das brüllende Etwas im Arm, zog ich aus seiner Brieftasche einen Personalausweis. Großer Gott. Darauf hat mich Michail nun wirklich nicht vorbereitet. „Andy Hughes, Sie sind festgenommen. Sie haben das Recht auf einen Exorzismus. Alles, was Sie sagen, wird selbstverständlich ignoriert werden, da Sie Ihre Rechte auf einen Prozess durch Ihresgleichen verwirkten, indem Sie sich an die Hölle verkauft haben.“ Ich holte tief Luft. „Außerdem sollten Sie Ihrem Glücksstern dafür danken, dass ich heute Nacht nicht in der Stimmung bin, noch jemanden ins Jenseits zu befördern. Wem gehört das Baby?“
Er schlotterte am ganzen Leib und redete nur Kauderwelsch, das Baby heulte. Aus keinem von beiden war etwas Vernünftiges rauszukriegen.
Um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ging der Vibrationsalarm meines Pagers los, der in seiner gepolsterten Tasche an meiner Hüfte saß.
Spitzenmäßig.
2
Jede Stadt braucht Leute wie uns, die sich um die Dinge kümmern, die der Polizei durch die Lappen gehen. Ohne uns wäre auf den Straßen schon längst Sodom und Gomorrha ausgebrochen. In unser Aufgabengebiet fallen außergewöhnliche Exorzismen, Trader, Höllenbrut, Scurf, Sorrow, Anhänger des Mittleren Pfades, entartete Werwesen … die ganze Palette, die die Schattenwelt zu bieten hat. Normalerweise arbeitet ein Jäger nur als eine Art Vermittler zwischen der paranormalen Gemeinschaft und der regulären Polizei und sorgt dafür, dass alles unter Kontrolle bleibt.
Oder, wenn schon nicht unter Kontrolle, dann wenigstens halbwegs gesittet. Was per Definition alles zulässt zwischen „keine Leichen auf offener Straße“ bis hin zu „kurz vor dem totalen Chaos“.
Man muss eben flexibel sein.
Manchmal – oft genug – bekommen wir auch den Auftrag, vermisste Personen zu finden, die von den Radaubrüdern der Nacht entführt worden sind. Und wenn ich von „finden“ rede, meine ich ihre Leichen. Denn für gewöhnlich überleben Menschen in der Schattenwelt nicht besonders lange, wenn sie nicht zufällig Jäger sind. Nicht selten sind wir auf Rachefeldzügen, um das empfindliche Gleichgewicht zwischen den Bewohnern der Finsternis und den normalen, ahnungslosen Menschen
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