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Dämonisches Tattoo

Dämonisches Tattoo

Titel: Dämonisches Tattoo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Melzer
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war so langsam, dass Frank ihn mit Sicherheit bereits unten erwarten würde. Von dem Gedanken aufgeschreckt warf er einen Blick auf die Anzeige. Die Kabine ließ gerade den dritten Stock hinter sich. Chase legte den Schalter für den Nothalt um und musste sich festhalten, als der Aufzug mit einem Ruck zum Stehen kam. Die Beleuchtung flackerte kurz auf. Er klappte den kleinen Sitz aus der Wand, auf dem früher der Liftführer gesessen haben mochte, stieg darauf und griff nach der Wartungsluke im Dach. Mit einem Ruck löste sich die Metallplatte und fiel nach außen. Chase klappte den Sitz wieder nach oben und löste den Nothalt. Als sich der Aufzug wieder in Bewegung setzte, sprang er hoch, zog sich durch die Öffnung auf das Dach der Kabine und schloss die Luke hinter sich. Dunkelheit umfing ihn. Es dauerte eine Weile, bis sich seine Augen daran gewöhnten und ihm bewusst wurde, dass es nicht vollkommen finster war. Aus der Kabine drang gerade so viel Licht nach oben, dass er seine Umgebung schemenhaft erkennen konnte. Er wich den dicken Kabeln aus, die in der Mitte des Schachts baumelten, und sah sich am Rand um, bis er eine Eisenleiter entdeckte, die an der Wand des Schachts entlangführte. Zwischen der Kabine und der Leiter war ein wenig Platz. Es könnte genügen.
    Als der Aufzug im Erdgeschoss zum Stehen kam, kletterte er auf die Leiter und folgte den Stufen nach unten, bis er sich neben der Kabine befand. Es war eng, und wenn sich der Aufzug wieder in Bewegung setzte, würde er ihn womöglich mitreißen, doch das Risiko musste er eingehen. Flach atmend, die Hände um die Eisenstreben geklammert und den Körper an die Wand gepresst, verharrte er.
    Das gedämpfte
Ping
erklang, dann ein Rattern, als sich die Schiebetüren öffneten. Halb rechnete Chase damit, dass Frank sofort das Feuer eröffnen würde, doch es blieb still.
    Je länger die Stille andauerte, desto weiter schien sie sich auszudehnen. Das Schlagen der Aufzugskabel drang nur gedämpft an sein Ohr, als hätte jemand seinen Kopf in Watte gepackt. Sein eigener Atem war kaum noch zu hören, einzig sein Herzschlag dröhnte in einem hämmernden Stakkato in seinen Ohren. Sein Hals und seine Schulter pulsierten und gaben ihm einen Vorgeschmack darauf, was ihn erwarten würde, wenn das Adrenalin und die Wirkung der Lidocain-Salbe endgültig aus seinem Körper verschwunden waren. Er konnte noch immer nicht glauben, was Frank getan hatte. Noch schlimmer jedoch war, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wie schlimm es um seinen Freund tatsächlich bestellt war.
    Ich hätte es sehen müssen.
    Die Stimme der Vernunft sagte ihm jedoch, dass das nicht möglich war – nicht, solange Frank es darauf angelegt hatte, seinen Zustand zu verbergen. Wie Chase auch, hatte er eine psychologische Ausbildung. Er wusste, wie er sich zu verhalten hatte, damit niemand Verdacht schöpfte, und er hatte es brillant umgesetzt und dabei immer gerade so viel Trauer und Schwäche gezeigt, wie von ihm erwartet wurde.
    Wie lange hatte er das alles schon geplant? Wie viel Zeit hatte er in seine Vorbereitungen und Nachforschungen investiert, bevor er Chase zu sich eingeladen hatte?
    In der Eingangshalle erklangen Schritte und kamen langsam näher. Vor seinem inneren Auge sah Chase, wie Frank sich an die Kabine herantastete, die Waffe noch immer im Anschlag. Jetzt musste er nah genug sein, um zu erkennen, dass der Aufzug verlassen war. Ein gedämpfter Fluch bestätigte Chase’ Vermutung.
    »Was zum Teufel …?« Frank betrat die Kabine. Seine Schritte waren jetzt deutlicher. Etwas knarzte. Der Klappsitz. Die Kabine wackelte leicht, dann wurde die Luke auf dem Dach geöffnet. Licht strömte den Schacht hinauf und entriss ihn auf einem Stück von gut zwei Stockwerken der Dunkelheit.
    »Verdammter Bastard!«, knurrte Frank.
    Wieder wackelte der Aufzug. Chase verlagerte sein Gewicht und machte sich bereit, der Leiter nach unten zu folgen. Statt jedoch Frank auf dem Dach zu sehen, hörte er, wie sich die Luke wieder schloss. Die Dunkelheit kehrte zurück. Kurz darauf entfernten sich Franks Schritte vom Aufzug. Erst jetzt bemerkte Chase, dass er die Luft angehalten hatte. Er stieß den Atem aus. Jetzt musste er nur noch warten, bis Frank weit genug entfernt war, dann konnte er verschwinden.
    Er kletterte die Sprossen nach oben und stieg auf das Kabinendach zurück. Dabei rutschte der Autoschlüssel aus seiner Hosentasche, landete scheppernd auf dem abgeschrägten Rand des Aufzugdachs und

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