Dämonisches Tattoo
griff nach dem Sandwich und biss hinein, als ihm bewusst wurde, dass sie ihn anstarrte. »Stimmt was nicht?«
»Ich weiß nicht«, gab sie zurück. »Es ist irgendwie seltsam, mit Ihnen hier zu sitzen.«
»Seltsamer, als von mir entführt zu werden oder mich vor der Polizei zu verstecken?«
»Irgendwie schon.« Für einen Moment richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf ihr Sandwich. Als sie ihn wieder ansah, lag eine Ernsthaftigkeit in ihrem Blick, die er von ihr nicht kannte. »Ich weiß, dass Sie mich nicht mögen, Chase, aber wir hängen jetzt gemeinsam in dieser Sache. Sie sollten wenigstens versuchen mir zu vertrauen.«
»Ich kenne Sie zu wenig, um mir ein Urteil darüber erlauben zu können, ob ich Sie mag oder nicht«, sagte er. »Allerdings muss ich zugeben, dass Lombardi, die rasende Reporterin, nicht unbedingt auf der Liste meiner zehn Lieblingspersonen steht.«
»Was mir Ihre Assistentin bei jedem Anruf deutlich zu verstehen gegeben hat, ohne es auch nur ein einziges Mal auszusprechen.«
»Miss Tanner ist eine talentierte Frau.« Es war seltsam, denn während der letzten Monate hatte er um jeden Preis eine Begegnung mit Kate zu vermeiden versucht, und das nur, weil er ihre ständigen Fragen ebenso leid war wie die Art, auf die sie versuchte an Informationen zu gelangen. Allmählich jedoch begann er hinter die Maske aus Make-up zu sehen, die sie für gewöhnlich trug. Dahinter verbarg sich eine Frau, die zwar eine neugierige Journalistin war, doch da war noch mehr. Andernfalls säße er jetzt nicht hier.
»Was ist mit Ihnen?«, gab er den Ball zurück. »Sie können mich doch ebenso wenig leiden. Ich erinnere mich an Worte wie unausstehlich und arrogant – bevor Sie Ihre Zunge verschluckt haben aus Angst, ich würde Sie einsperren lassen.«
Kate zuckte die Schultern. »Sie haben mir bisher auch nicht wirklich einen Grund gegeben, Sie zu mögen.«
»Touché.« Er legte sein Sandwich auf der Packung ab. »Vielleicht sollten wir uns auf einen Waffenstillstand einigen, zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir wieder getrennte Wege gehen.«
»Klingt vernünftig.«
Chase hob sein Dr. Pepper und prostete ihr zu. »Auf den Frieden.«
»Auf den Frieden«, gab sie zurück.
Während sie aßen, erzählte er ihr, was er in den Nachrichten gesehen hatte.
Kate nickte. »In den Zeitungen steht derselbe Quatsch.« Sie trank einen Schluck von ihrem Soda. Als sie die Flasche wieder auf den Tisch stellte, fügte sie hinzu: »Aber die Fotos sind qualitativ schlechter.«
Nachdem sie gegessen hatten, nahm Kate ihren Laptop aus der Tasche. Chase kritzelte den Namen des Indianers und seinen Wohnort auf einen Zettel und ging ins Bad. Er wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, dann stützte er die Hände auf den Waschbeckenrand und betrachtete sich im Spiegel. Die Bartstoppeln juckten so sehr, dass er sich einen Rasierapparat herbeisehnte, doch das würde noch eine Weile warten müssen. Er zog den Duschvorhang zur Seite und tastete nach dem Pflaster in seinem Nacken, um zu sehen, ob es fest saß, als sich der Raum um ihn herum veränderte. Das kleine Badezimmer mit der Kunststoffwanne zerfloss vor seinen Augen. Die Wände rückten weiter auseinander, anstelle der billigen beigen Plastikverkleidung traten Mosaikfliesen in unterschiedlichen Blautönen. Der Boden war nicht länger mit einfachem Linoleum ausgelegt, sondern – passend zu den Wänden – nun ebenfalls gefliest.
Chase stand nicht länger vor der Wanne, sondern wieder am Waschbecken. Sein Blick fiel auf einen zerbrochenen Spiegel, ein paar scharfkantige Scherben hingen noch im Rahmen und fingen Teile seines Gesichts auf, so verschwommen und klein, dass er sich selbst nicht wiedererkannte. Weißer Schaum bedeckte sein Kinn und den unteren Teil seiner Wangen.
Er hielt ein Rasiermesser in der Hand und ließ es über das Kinn gleiten, doch die Hand, die das Messer führte, war nicht seine, ebenso fühlte sich der Körper
falsch
an. Chase versuchte den Kopf zu drehen und an sich hinunterzusehen, einen Blick auf sich zu erhaschen, doch der Körper verweigerte sich seinem Befehl, starrte stattdessen weiter auf den zertrümmerten Spiegel und schabte mit dem Rasiermesser über das Gesicht. Der frische Geruch des Rasierschaums stieg ihm in die Nase.
Er war in einem Körper gefangen, dessen Bewegungen er folgen musste, der ihm aber nicht gehorchte, ja nicht einmal der Seine zu sein schien – an einem Ort, den er noch nie gesehen hatte. Beinahe fühlte es sich an,
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