Daisy Goodwin
nur
oberflächlich, immer wieder berührte ein kalter Luftzug eine nackte Schulter
oder einen bloßen Hals und ließ eine Frau erzittern. Behaglichkeit gehörte hier
nicht zur natürlichen Ordnung der Dinge, dieser Raum war erbaut worden, um
zechende mittelalterliche Barone zu beherbergen, die für den König kämpften, er
war nicht gemacht für die gepuderte Höflichkeit von
Fin-de-siècle-Aristokraten. Der Fußboden war größtenteils mit einem
Aubusson-Teppich bedeckt, aber darunter befand sich kalter Stein. Die Diener,
die an der Wand aufgereiht standen, wussten das. Sie warteten darauf, Stühle
bereitzuhalten, Gläser zu füllen und sie Gästen zu servieren, die an die
Existenz der Diener nicht mehr Gedanken verschwendeten als an die Lerchen,
deren Zungen in Aspik vor ihnen lagen.
Teddy
leerte sein Glas. Er wusste, dass er zu schnell trank, aber er musste sich für
den Abend stärken, der vor ihm lag. Dass die Frau wieder aufgetaucht war, die
er auf dem Bahnsteig gesehen hatte, erschütterte ihn. Er hatte seine gesamte
New Yorker Contenance zusammenkratzen müssen, um nicht zusammenzuzucken, als
Cora ihn herbeiwinkte, damit er Lady Beauchamp zum Dinner führte. Charlotte
hatte seine Verwirrung gespürt, aber eine falsche Ursache vermutet. Sie hatte
gesagt: «Keine Sorge, Mr. Van Der Leyden, das Kleid ist nur Show. Ich beiße
nicht.» Und betont fügsam hatte sie eine schwarz behandschuhte Hand auf seinen
Arm gelegt. Am Tisch gönnte sie ihm eine kleine Atempause, indem sie zunächst
mit dem Mann zu ihrer Rechten sprach. Teddy unterhielt sich artig mit Lady
Tavistock, die links von ihm saß, aber er wusste, sobald die Mockturtlesuppe
abgeräumt wäre, würde er Charlotte Beauchamp nicht mehr entkommen können.
Lady Tavistock hatte kein besonderes
Interesse an ihm, nachdem sie mitbekommen hatte, dass er kein reicher Amerikaner
war. Als er ihr erzählte, dass er Künstler war, setzte sie einen freudigen,
neugierigen Gesichtsausdruck auf, den sie sicher auch zur Schau trug, wenn sie
ein Blindeninstitut besuchte.
«Oh, wie faszinierend. Wissen Sie,
ich habe noch nie einen Künstler kennengelernt, nicht privat, meine ich. Aber
Herzogin Cora hat ja eine Vorliebe für Künstler. Ich war in Bridgewater House,
als Louvain das Gemälde enthüllt hat. So eine Sensation.» Sie sah zum Kopfende
des Tisches, wo Cora dem Prinzen von Wales zuhörte, und nickte. «Ich bin so
froh, dass sie wieder da ist.»
Teddy verstand ihre Bemerkung nicht
ganz, aber er vermutete, dass das auch nicht nötig war. Lady Tavistock war wie
die Freundinnen seiner Mutter: Frauen, die von Geburt an dazu erzogen worden
waren, ihre soziale Stellung zu verteidigen. Sie wandten sich dem Erfolg zu
wie Sonnenblumen dem Licht, aber sobald das Licht und die Wärme verschwanden,
waren sie gnadenlos. Er verspürte nicht ohne Schuldgefühle eine gewisse
Erleichterung. In Paris hatte er sich Cora als unnahbar vorgestellt, und doch
wurde sie hier von Frauen wie Lady Tavistock angestarrt.
Er versuchte immer noch zu
verstehen, warum Lady Beauchamp hier in Lulworth war. Wusste Cora von der Verbindung
mit ihrem Ehemann? Er wusste, dass Affären mit verheirateten Frauen in Paris an
der Tagesordnung waren, und vermutete, dass es hier nicht anders war, aber er
konnte sich nicht vorstellen, dass Cora in aller Zufriedenheit die Gastgeberin
für die Geliebte ihres Mannes spielte. Die Vorstellung, eine Rivalin zu haben,
musste ihr ziemlich fremd sein – sie war dazu erzogen worden, der Hauptgewinn
zu sein, nicht die Frau, die vorgab, von nichts zu wissen.
Er bemerkte, dass Odo Beauchamp, der
ihm gegenübersaß, sogar noch schneller trank als er selbst. Teddy fragte sich,
wie viel er über seine Frau und den Herzog wusste. Da sein Blick beständig
zwischen den beiden hin- und herzuckte, ging Teddy davon aus, dass er in jedem
Fall eine Vermutung hatte.
Ein Diener kam mit einer silbernen
Vorrichtung herein, an deren Seite eine große Schraube befestigt war – Teddy
fand, es sah aus wie eine Apfelpresse –, aber aus dem aufgeregten Gemurmel um
ihn herum schloss er, dass es eine Fleischpresse war und dass ihnen Ente ä la
rouennaise serviert werden würde, eine Delikatesse, die der Prinz sehr liebte. Teddy beobachtete, wie der
Butler an der Schraube drehte und das Blut in einem silbernen Krug auffing.
Er hörte Odo Beauchamp sagen: «Die
Enten werden erstickt, wissen Sie, damit kein Blut verloren geht.»
Teddy fragte sich, ob Cora, die sich
über die aufwendigen Dinner
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