Damit Kindern kein Flügel bricht - Kindliche Verhaltensauffälligkeiten verstehen und ein gutes Familienklima fördern
eines Traumas, um Demütigung, Beschämung. Alles, was uns einmal beschämt und nicht zur Sprache gefunden hat und nicht in die Beziehung eingebettet werden konnte, bleibt ein Unruheherd. Alles, womit Kinder emotional einmal überfordert waren und nicht im Beziehungskontext Eltern - Kind haben lösen können, muss verdrängt werden. Die Wiederkehr des Verdrängten ist viel mehr als nur ein psychoanalytischer Terminus, nämlich auch, wie die Neurobiologie inzwischen nachgewiesen hat, eine absolut zuverlässige Konstante im Mikrokosmos der
Seele. Das Langzeitgedächtnis vergisst keine einzige Demütigung, Angst oder Wuterfahrung. In Hirn und Körper brennen sich alle hoch emotionalen Erfahrungen ein und es braucht viele korrigierende, wiederum emotionale Erfahrungen, um verstörende Erlebnisse zu löschen. Es ist möglich, einen alten Gefühlstext durch einen neuen zu ersetzen. Das ist, auf einen kurzen Nenner gebracht, der Inhalt einer guten Therapie. Doch es braucht viel Zeit, Gelassenheit, Liebe. Und mit Liebe meine ich nichts anderes - nochmals eine Definition von Beziehung - als die Fähigkeit und Bereitschaft, als Eltern, Lehrer und Therapeuten zusammen mit dem Kind einen neuen Lebenstext zu entwerfen. Einer, der frei wird von lebenseinschränkenden Wahrnehmungen unserer Kinder und von der Gesellschaft gelieferten Diagnosen über diese Kinder.
Kinder haben ein ganz feines Sensorium für Reduktion. Sie spüren, wenn ihnen etwas, zum Beispiel das Lesen, nicht mehr zugetraut wird. Sie glauben den Eltern - und geben auf. Der verzweifelte, wütende und verunsicherte Blick der Eltern dringt in sie ein wie ein Messer. Und irgendwann kämpfen sie nicht mehr dafür, dass sie lesen lernen, sondern darum, dass sie das Messer, das einfach wehtut, wieder aus ihrem Gefühlskörper herausbekommen. Daraus entstehen dann die Schlachten, mal lauter, mal leiser geführt, am Buffet beziehungsweise am Wohnzimmer- oder Kinderzimmertisch.
Wo wandert das Selbstvertrauen der Eltern hin, die es doch ganz gut geschafft haben im Leben, wenn ihren Kindern der Schuleintritt, der Übertritt nach der 4. Klasse oder der Schulabschluss bevorstehen? Es wandert in die eigene Lebensgeschichte, zu eigenen Höhen und Tiefen der Biografie. Das ist auch nicht schlimm. Nur - die Kinder müssten es wissen. Sie müssten erfahren dürfen, dass die Mama, der Papa jetzt so heftig reagieren, weil gerade eine eigene, bis jetzt gut verborgene und gehütete Angst oder Beschämung sich wieder
meldet, die Mutter oder Vater schon längst bewältigt glaubten. Doch das Bewältigte ist oft nur das Vergessene.
Wie entspannend wirkt es sich auf Kinder aus, wenn Eltern dem Kind nicht vorwurfsvoll ein Du hinwerfen und ihr Kind damit einsam machen, sondern »ich« sagen und zu erzählen beginnen - aus ihrem eigenen Leben!
Ein Vater lehnte bei seinem Jungen rigoros Spielzeugwaffen ab. Die Pistolen etc. wurden damit für diesen Jungen zu einem Objekt der Begierde. Je verbotener, desto interessanter und geheimnisvoller. Mit der Zeit gingen die Fantasien des Vaters in die Richtung, dass sein Sohn, einmal erwachsen, eine kriminelle Laufbahn einschlagen könnte. In einem Elterngespräch stellte sich heraus, dass der Vater als Schulkind von einer Jugendlichenbande mit einem Messer verletzt worden war. Seine Eltern konnten der damals empfundenen tiefen Angst in einem möglichen einfühlsamen Gespräch keine Heimat geben. Er blieb allein mit dem Erlebten (wahrscheinlich nicht nur in dieser Situation). Er blieb, an dieser Stelle, traumatisiert stehen. Überall konnte er weitergehen in seiner Entwicklung, nur da nicht.
Als dieser Vater sich mit seiner eigenen Geschichte auseinandergesetzt und ihr nachgespürt hatte, nahm das weit über die Maßen vorhandene Interesse an Waffen beim Sohn ab und wandelte sich in den altersgemäßen Spaß an Waffen. Geblieben ist bei diesem Jungen ein überdurchschnittliches Interesse an Wissensfragen, was sich auf seine Schullaufbahn sehr positiv auswirkt. Er spürte, dass hinter diesem Waffentabu etwas anderes steckte. Er wollte Zugang zu seinem Vater finden. Doch Zugang hatte er nur zum klar ausgesprochenen Waffentabu. Also wurde er ein Waffenexperte. Durch die Bereitschaft des Vaters, über sein eigenes Waffentrauma nachzudenken, konnte der Sohn seinen Fokus, der wie festgeklebt auf Waffen gerichtet war, wieder weiten und die allen Kindern eigene Wissenslust und Neugierde neu strömen lassen.
Eltern kommen oft mit den aktuellen schulischen
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