Dancing Jax - 01 - Auftakt
Blumensträußen in Plastikfolie und laminierten Nachrichten. Doch nicht dieser Anblick verursachte ihm Übelkeit und verschlimmerte seinen Kater noch. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er vergessen hatte, den Metalldetektor abzubestellen. Die Polizei hatte ihn bereits neben den vielen Blumen aufgebaut – der krasse Widerspruch dieser Bildkomposition kam den Frühaufstehern unter den Reportern natürlich wie gerufen. Mehrere Fotografen knipsten bereits begeistert drauflos und jemand versuchte sogar, einen der Polizisten zu einem Live-Interview für das Frühstücksfernsehen zu überreden.
Barry wünschte sich ans andere Ende der Welt, doch die Reporter hatten ihn bereits entdeckt und walzten auf ihn zu.
»Mr Milligan!«, riefen sie, machten Fotos von ihm und hielten ihm Mikrofone unter die Nase. »Acht Ihrer Schüler sind vergangenen Freitag ums Leben gekommen, weitere dreiundzwanzig Verstorbene waren ehemalige Schüler.«
»Eine furchtbare Katastrophe«, sagte er. »Lassen Sie mich durch.«
»Einer Ihrer Schüler, Daniel Marlow, war für den Autounfall verantwortlich. Auch seine drei Mitfahrer besuchten diese Schule. Was haben Sie dazu zu sagen?«
»Kein Kommentar.«
»Die Leute nennen Ihre Einrichtung inzwischen Rowdy-Schule oder Schule des Todes. Wie reagieren Sie darauf?«
Barry bemühte sich, nicht aus der Haut zu fahren, aber es fiel ihm nicht leicht. »Soweit ich weiß, hat noch niemand unsere Schule so genannt«, knurrte er.
»Was hat dann dieser Metalldetektor hier zu suchen? Sicherlich ist doch allein seine Anwesenheit schon Beweis genug, dass die Kinder hier außer Kontrolle geraten sind?«
»Ganz und gar nicht.«
»Rechnen Sie damit, dass es auch heute wieder Ärger geben wird?«
»Wir wollen diese schwierige Zeit einfach so reibungslos wie möglich hinter uns bringen.«
»Also waren Sie doch auf irgendeine Form von Gewalt eingestellt! Das lässt Ihre Schule natürlich in einem traurigen Licht erscheinen. Denken Sie, dass Sie Ihren Job nach den Vorfällen behalten können?«
Barry verspürte das dringende Bedürfnis, jemanden zu schlagen. Selbst als er noch Rugby spielte, hatte er nie eine solch feindliche Attacke erlebt, trotzdem schaffte er es, sich einen Weg nach drinnen freizuschubsen, und flüchtete auf der Stelle in sein Büro. »Was für ein Durcheinander!«, sagte er zu sich selbst.
Der restliche Morgen verlief wie erwartet. Nachdem sie in den Klassen die Anwesenheitslisten durchgegangen waren – verspätet, da die Schüler nur langsam, einer nach dem anderen, durch den Metalldetektor gehen konnten –, versammelte sich die gesamte Schule in der Turnhalle. Barry las die Rede vor, an der er den Großteil der letzten Nacht gearbeitet hatte. Lehrer wie Schüler vergossen einige Tränen. Als alles vorbei war, rief Barry Emma Taylor in sein Büro.
Das Mädchen schlurfte herein. Sie trug den kürzesten Rock, den sie zu ihrer Schuluniform hatte, und dazu kurze Socken, damit man die frischen Verbände umso besser sehen konnte. Einige der jüngeren Lehrer hatten ihr schon ihr Beileid zugeraunt, aber der Direktor würde nicht so leicht an der Nase herumzuführen oder zu beschwichtigen sein, das war ihr klar.
»Du weißt sicher, warum du hier bist, Emma«, setzte er mit seiner Fernsehkommissar-Stimme an.
Das Mädchen nickte, doch gleichzeitig lag ein streitlustiger Glanz in ihren Augen.
»Du bist so ziemlich das Letzte, meinst du nicht?«, hielt er ihr vor. »Ich finde, du solltest dich gründlich schämen, aber dazu bist du dir ja zu schade, nicht wahr? Die Einzige, an die du je denkst oder die dir leidtut, bist du selbst. Du widerst mich an, weißt du das? Seit deinem allerersten Tag hier hast du dich kein Stück geändert. Es gibt Pitbulls, die darauf trainiert sind, andere Hunde zu zerfleischen – und selbst die haben mehr Mitgefühl als du! Normalerweise würde ich dich für das, was du und deine Freundinnen Sandra Dixon am Freitag angetan habt, auf der Stelle suspendieren. Aber mir ist bewusst, dass du das nur als Erfolg ansehen würdest. Ich gehe davon aus, dass die Polizei bereits mit dir geredet hat?«
»Ja, Sir.«
»Dann ist es nun deren Angelegenheit – und die der Dixons –, wie sie weiter vorgehen. Verkneif dir das Grinsen, Mädchen, es geht hier um ein sehr ernstes Vergehen. Wärst du ein paar Jahre älter, würdest du im Fall einer Anklage in den Jugendknast wandern. Glaub ja nicht, dass du damit davonkommst! Diese Sache wird noch ein langes Nachspiel für dich
Weitere Kostenlose Bücher