Danielle Steel
realistischer Mensch, sie rechnete nicht ernsthaft damit, dass er sich meldete. Es war auch besser so. Joes Stimme zu hören, hätte sie zutiefst verstört. Also versuchte sie, nicht allzu häufig an ihn zu denken. Trotzdem schlich er sich nachts immer wieder in ihre Träume, und morgens wachte sie mit dem Gedanken an ihn auf. Mit ihm zusammen war der Morgen immer die schönste Zeit gewesen. Noch immer fragte sie sich, ob sie damals die richtige Entscheidung getroffen hatte, oder ob es nicht besser gewesen wäre, ihren Wunsch nach einer Ehe und nach Kindern für ihn zu opfern. Sie liebte Joe nach wie vor, und doch redete sie sich ein, dass sie nun auf dem richtigen Weg war. Er hatte sich schließlich nicht um sie gekümmert, sondern immer nur um seine Flugzeuge. Niemand wusste, wie es in ihr aussah, als der große Tag näher rückte.
Die Hochzeit war ein Aufsehen erregendes Ereignis. Kate war einfach wunderschön. In der langen Satinrobe mit der atemberaubenden Schleppe sah sie aus wie Rita Hayworth. Ihr Gesicht war von einem langen Schl eier verhüllt, und als Andy ihr vor dem Altar in die Augen blickte, entdeckte er darin gleichzeitig so viel Zärtlichkeit und Trauer, dass er schockiert war.
»Es wird alles gut werden, Kate … ich liebe dich …«, flüsterte er, als zwei kleine Tränen ihre W angen hinunterliefen. Kate hätte es niemals zugegeben, doch in diesem Augenblick spürte sie, dass sie doch dabei war, einen Fehler zu begehen. Den ganzen Morgen über hatte sie sich nach Joe gesehnt. Sie fühlte sich, als würde sie ihn ein zweites Mal verlassen. Und doch war sie davon überzeugt, dass sie an Andys Seite ein gutes Leben erwartete. Er war ein fürsorglicher Mann, und sie liebten einander. Da war keine Leidenschaft, aber umso mehr Zärtlichkeit und Verständnis. Was immer sie für Joe Allbright empfand, Kate wusste, dass Andy ein guter Partner sein würde. Und sie würde alles dafür tun, dass es eine gute Ehe wurde. Der Empfang fand im Plaza statt, und die Hochzeitsnacht
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verbrachte das junge Paar in einer Suite mit Blick auf den Central Park. Es war ein äußerst romantischer Ort, doch beide waren nach der Hochzeitsfeier vollkommen erschöpft. Erst am nächsten Morgen liebten sie sich. Andy wollte Kate nicht unter Druck setzen, und sie hatten ja noch viel Zeit. Vor der Hochzeit hatten sie nicht miteinander geschlafen, und Andy scheute sich, Kate zu fragen, ob sie noch Jungfrau war. Er war nie an den Einzelheiten ihrer langjährigen Beziehung zu Joe interessiert gewesen, und daran hatte sich nichts geändert. Und Kate wollte offenbar auch nicht darüber sprechen. Andy war nicht sicher, ob Kate sich wohl in ihrer Haut fühlte, doch es stellte sich heraus, dass sie in jeder Hinsicht gut miteinander harmonierten. Als sie zusammen im Bett lagen, erschien ihm Kate unschuldig und schüchtern. Sie war sehr vorsichtig, und Andy machte ihre Unerfahrenheit dafür verantwortlich. In Wirklichkeit hatte Kate Probleme damit, dass sie sich nun mit Andy in einer solchen intimen Situation befand. Sie waren schließlich bisher nur gute Freunde gewesen. Doch sie fand schnell heraus, dass sie sich auch im Bett wohl mit ihm fühlte. Er war einfühlsam und zärtlich – und er liebte sie abgöttisch.
Als die beiden am nächsten Morgen zum Flughafen aufbrachen, sahen sie nicht wie Jungverliebte aus. Doch Kate genügte es, dass sie sich in Andys Gegenwart so unbefangen fühlte. Das, was sie mit ihm teilte, ha tte nichts mit dem Feuer zu tun, das sie in Joes Gegenwart verzehrt hatte. Die Beziehung zu Andy war unkompliziert und humorvoll. Kate vertraute ihrem Mann vollkommen, und sie fühlte sich endlich in Sicherheit. Elizabeth ahnte, dass Kate in Andy nicht unsterblich verliebt war. Doch das kümmerte sie nicht weiter. Sie h atte währen d der Anprobe des Hochzeitskleides mit Kate darüber gesprochen und ihr erklärt, dass die Art von Leidenschaft, die sie für Joe empfand, gefährlich sei. Sie könne einen Mensch en vollkommen beherrschen. Elizabeth versicherte ihrer Tochter, dass sie nun auf dem richtigen W eg sei: verheiratet mit Andy, der zugleich
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ihr bester Freund war.
Die Flitterwochen in Paris waren ein einzig er Traum. I m Maxim’s und in kleinen Bistros in Saint Germain nahmen sie in romantischem Am biente ihr Dinner ein, sie erkundeten den Louvre, erledigten zahllose Einkäufe und unternahmen lange Spaziergänge entlang der Seine. Auch das W etter spielte mit, es war warm und sonnig, und Kate war nie in
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