... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
Vorhaben sehr wahrscheinlich an den Traditionalisten scheitern würde, da diese hartnäckig ihr Einverständnis für Fußballspiele im Croke Park verweigerten. Fußball – ein englisches Spiel in einem irischen Stadion? Undenkbar!
Hätte sie nicht irgendwann die Unterhaltungen und das röhrende Gelächter ausgeblendet und sich von den sanften Klängen, die durch den Raum schwebten, entführen lassen, wäre sie vermutlich längst geflüchtet – an die Theke, um etwas Stärkeres als lediglich Guinness zu holen.
Als d ie Musikerin ihre Geige zur Seite legte und ein herzergreifendes Lied von einem jungen Seemann sang, der auf See in einen Sturm geriet und nie mehr zu seiner Liebsten zurückkehrte, hatte sie Mühe, die Tränen aus den Augen zu blinzeln.
Sie lachte unsicher, als sie Aarans Hand auf ihrer spürte und er mit der anderen ein Taschentuch aus seiner Hose kramte.
„Ich bin eine Zeit lang zur See gefahren, weißt du“, erklärte sie schniefend. „Unser Schiff ist untergegangen und jedes Mal, wenn ich … Na ja, so ist das eben.“
„Hast du ihn da kennengelernt?“, mischte sich Máirtín ein.
Suse hob den Kopf. Etwas in seinem Blick machte sie unsicher. Wie eine Kerzenflamme flackerte eine merkwürdige Ungeduld in seinen grauen Augen, gerade so als würde er auf etwas warten, das jeden Moment wie eine Katastrophe über sie hereinbrechen könnte. Sie schaute sich unauffällig um, konnte indes niemanden ausmachen, der etwas anderes vorhatte, als zu singen und zu tanzen, der Musik zu lauschen und sich einen hinter die Binde zu kippen.
„ Meinst du Matthias? Nein, das war auf einem anderen Schiff. Es war auch bloß eine einzige Reise, die ich unter seinem Kommando gefahren bin. Ist nicht gerade leicht, mit ihm auszukommen.“
„ Mo col ceathair mór, Pádraig, schwärmt in den höchsten Tönen von Lord Mathew. Und seine Jungs sowieso”, entgegnete Aaran. „Aber einfach ist er vermutlich wirklich nicht. Geschichten könnte ich dir erzählen …“
S obald die Musik einsetzte und Suse Donals zum Tanz bittende Hand ergriff, war jeder Gedanke an Máirtíns eigenartiges Verhalten und Aarans ganz gewiss aufschlussreiche Geschichten wie weggewischt. Alle Iren schienen für nichts anderes als für das Tanzen geboren zu sein, dachte sie überwältigt von der Leichtigkeit, mit der Donal sie führte und im Kreis wirbelte.
Alle Iren, mit Ausnahme von einem. Ausgerechnet dem einen, dem sie am liebsten alle Tänze dieser Welt geschenkt hätte! Dem Mann, den sie noch immer so sehr liebte.
Ihr stockte der Atem und für einen Augenblick hörte sie weder die Musik, noch sah sie die Menschen um sich herum. All ihre Sinne konzentrierten sich auf die hoch gewachsene Gestalt, die die Tür aufstieß und mit einem überlegenen Grinsen auf dem Gesicht geradewegs auf sie zukam. Ihr war bewusst, dass sie sich schlimmer als eine verliebte Gans benahm. Sollte sie sich nicht besser sein unmögliches Benehmen vor Augen führen, als er am vergangenen Abend seinen Bruder nach allen Regeln der Kunst runtergeputzt hatte, anstatt ihn anzugaffen?
Mit vor S tolz erhobenem Haupt schritt er durch das Gewühl, das sich wie durch Geisterhand vor ihm teilte. Offenbar war er sich der Blicke aller Anwesenden sehr wohl bewusst, denn er nickte mal nach links, wandte sich auf ein knappes Wort nach rechts.
Jedes Mal, wenn er sie mit diesem verruchten Lächeln bedachte, vertiefte sich die Röte auf ihrem Gesicht. Sie wollte schon protestieren, weil Donal abrupt stehen blieb, da bemerkte sie, dass sie inzwischen die Einzigen waren, die nicht zur Seite traten, um ihm Platz zu machen.
Wortlos winkte Gearóid Callaghan mit dem Zeigefinger die Tänzer der Truppe zu sich und wies ihnen mit dem Kinn einen Stellplatz zu. Dann gab er den Musikern ein Zeichen und unter dem Jubel der Zuschauer begann er mit einer Reihe von Schritten, denen die anderen Tänzer zu folgen versuchten. Je rasanter die Musik, umso schneller klackten seine Schuhe auf den Holzdielen, seine Schritte wurden immer komplizierter, bis ein Tänzer nach dem anderen aufgab und sich geschlagen, keuchend und schwitzend aus dem Kreis zurückzog, was die umstehenden Gäste mit frenetischem Applaus und Pfiffen quittierten.
Nach einem letzten furiosen Solo wischte sich auch Gearóid den Schweiß von der Stirn. Das Lächeln lag noch immer wie eine Maske auf seinem Gesicht, seine Muskeln entspannten sich und er atmete tief durch, während er sich triumphierend nach allen Seiten verbeugte.
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