... dann eben Irland (Das Kleeblatt)
…“
„Máire!“
„Hast du jemals etwas gehört von … von der Banshee ?“
„ Banshee ? Ja. In einem der Bücher, die ich mir aus der Bibliothek geholt habe, war von einer Banshee die Rede. Ich muss schon sagen, bei euch wimmelt es nur so von den merkwürdigsten Gestalten. Es ist nicht einfach, sich alle zu merken. Wenn ich mich recht erinnere, bedeutet ihr Name ‚Frau von den Sidhe ’, bean-sidhe , Feenweib. Die Experten streiten sich darüber, ob die Banshee lediglich die dem Tod geweihten Mitglieder der alten Adelsgeschlechter beweint oder alle Iren. Manche sind der Meinung, sie würde ausschließlich bei den fünf bedeutendsten kelt-irischen Familien klagen, da das die angeblich einzigen gälischen Clans ohne einen Tropfen normannischen Blutes sind. Ich glaube, die Ó Briains waren ebenfalls dabei.“ Suse strahlte über das ganze Gesicht vor Stolz wie ein Schulkind, das seine Aufgabe richtig gelöst hatte.
Máire brummelte etwas, das klang wie: „So einfach, wie es sich liest, ist es meist nicht“, und war dabei völlig in ihren eigenen Gedanken versunken.
„Das fand ich natürlich auch ein bisschen übertrieben, denn seit dem zwölften Jahrhundert ging es bei euch doch ziemlich drunter und drüber. Ich meine, mit dem Auftauchen der Anglo-Normannen wurde so ziemlich alles auf den Kopf gestellt, oder nicht? Die haben sich gerade hier im Westen verdammt schnell mit den alten Iren vermischt und deren Sprache und Kultur angenommen, sodass ein multikulturelles Durcheinander herrschte und niemand mehr sagen konnte, wer eigentlich was war.“
„Die Banshee …“
„Ach ja, und da stand was von einer Banshee , die einem irischen Stammesfürsten vor der Schlacht von Clontarf erschien und sowohl den Sieg der Munster-Iren als auch den Tod von Brian Ború voraussagte und seitdem die Banshee des Königshauses Munster war.“
Suse senkte die Stimme und deklamierte geheimnisvoll: „Und noch heute ist sie über dem Lough Derg zu sehen und zu hören.“
„Ich habe sie gesehen, als … als dein Mann … damals …“
„Was?!“ Suse fuhr herum und starrte Máire ungläubig an. Das ging jetzt aber doch zu weit! Einfach lächerlich diese Vorstellung! Hätte sie Máire weniger gut gekannt, hätte sie vermutet, sie wollte sich über sie lustig machen.
Und ihr dafür den Hals umgedreht.
Máires Blick verlor sich in der Ferne ihrer Erinnerungen, als sie seufzte und leise fortfuhr: „Ich werde niemals, wirklich niemals diese Nacht vergessen, in der ich ihr Klagen hörte. Es war nicht das lächerlich schaurige Heulen irgendwelcher Gespenster aus Horrorfilmen, sondern ein trauriges, ein furchtbar trauriges Lied, das einem das Herz schwer werden lässt. Eins, das heiße Tränen in die Augen selbst der härtesten Männer treibt. Sie sang von einem wunderschönen, tapferen Helden in den besten Mannesjahren, der in der Ferne lebte und sterben musste. Sie sang die Kummermelodie, um ihm den Weg nach Hause zu zeigen.“
„Du hast sie gesehen?“, flüsterte Suse atemlos.
„Ich war zu Tode erschrocken, das kannst du dir sicher denken . Also habe ich noch in der gleichen Nacht in Deutschland angerufen, aber Matty war wie meist nicht zu Hause. Und dann telefonierte ich von Pontius zu Pilatus, bis ich endlich eine Verbindung zu seinem Schiff hatte, das irgendwo am anderen Ende der Welt unterwegs war. Es grenzte fast an Hexerei.“
„Keine Hexerei, Máire. INMARSAT macht’s möglich.“ Suse schaffte es nicht , in ihre Stimme einen unbekümmerten Ton zu zwingen. Sie spürte ihren Puls bis zum Hals schlagen und hätte Máire am liebsten heftig durchgeschüttelt, damit sie endlich aufhörte, immerzu von ihrem heißgeliebten Matty zu reden.
„Matty war selbstverständlich alles andere als begeistert von meiner Störung, doch ich konnte mich erst beruhigen, nachdem ich mich persönlich von seinem Wohlergehen überzeugt hatte. Die Banshee indes sang noch immer von dem weiten Weg, der vor dem tapferen Krieger lag. Dann sah ich ihr Gesicht. Mir blieb das Herz stehen, als mich die Erkenntnis wie ein Blitz traf. Ich habe sie nicht gekannt. Zu ihren Lebzeiten, meine ich. Die Geschichten über ihre legendäre Schönheit und ihr liebreizendes Wesen dagegen überdauerten ihren Tod. Kein Zweifel, es war Deirdre, die einen Tod beklagte. Deirdre, deren rotes Haar wie Feuer um ihr bleiches Gesicht wehte, trauerte um ihren Sohn. Und als sich eine Wildgans zu ihren Füßen niederließ, wusste ich, es gibt ihn wirklich, den
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