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... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

... dann eben Irland (Das Kleeblatt)

Titel: ... dann eben Irland (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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vorbereiten. Instinktiv schaute er wieder in den Rückspiegel.
    „Eher sterbe ich den Heldentod.“
    „Wenn es dir lieber ist, könnten wir …
    Was immer er hatte sagen wollen, wurde in derselben Sekunde von einem ohrenbetäubenden Knall übertönt. Das Auto schien regelrecht zu explodieren. Und Suses Herz blieb stehen. Gleich darauf schleuderte ihr Kopf zur Seite und prallte hart an die Scheibe des Seitenfensters. Überall flogen Glassplitter umher.
    Mit dem nächsten Schlag hörte die Zeit zu fließen auf.
    Suse drehte ihren Kopf zu Matthias. Sie hatte das Gefühl, eigenartig schwerelos zu sein, als würde sie durch eine ölige Flüssigkeit schwimmen. Das gleichförmige Dröhnen in ihrem Schädel wurde lauter, während das schwere Grau des Himmels und das Grün der Weidefläche neben der Straße abwechselnd an ihr vorbei flogen.
    Matthias bewegte träge seine bleichen Lippen, einen eher verblüfften als entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht. Sie konnte kein Wort von dem verstehen, was er sagte. Es schien, als hätte jemand auf die Zeitlupentaste gedrückt, um diesen Augenblick in aller Ruhe auszukosten. Ihre Freundin Beate hatte nach einem Unfall behauptet, schreckliche Geschehnisse würden langsamer ablaufen, um länger im Gedächtnis haften zu bleiben.
    Jetzt war sie tot.
    Ganz deutlich erkannte Suse das Blut, das irgendwo zwischen den dichten, schwarzen Haaren des Grafen hervortrat und gemächlich über Stirn und Schläfe lief, bis es schließlich hässliche Flecken auf seinem feinen Hemd hinterließ. Voller Verzweiflung versuchte sie, ihre bleischwere Hand zu heben, um das Blut wegzuwischen, das ihm die Sicht nahm. Wie sollte er fahren, wenn er nichts sah? Sie konnte sich nicht erklären, wo all das Blut herkam. Auch auf seinen Wangen und an seinen Händen war plötzlich Blut. Er schien es nicht zu bemerken, sondern starrte sie bloß aus weit aufgerissenen Augen an. Eine seltsame Stille senkte sich über sie, bis sie nichts als ihren donnernden Herzschlag hörte. Und dann gar nichts mehr.
     
    Er kam zu sich, langsam und voll Entsetzen. Sein Herz trommelte schmerzhaft gegen die Rippen und bei jedem mühevollen Atemzug stach es wie Dolche in seiner Brust. Dann fühlte er etwas an seinem Gesicht herab rinnen und schmeckte Blut. Er konnte sich nicht bewegen und nur mit Mühe gelang es ihm, die Augen zu öffnen. Bei dem Versuch, seinen Kopf zu drehen, lief ihm der Schweiß vor Anstrengung über die Stirn.
    „Suse.“ Seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern.
    Susanne regierte nicht. Sie war hinter dem Airbag eingeklemmt. Ihr Kopf hing leblos zur Seite, ihre Augen waren geschlossen.
    Später erinnerte er sich nicht mehr daran, Suse aus dem zertrümmerten Auto gezerrt zu haben. Er würde niemals erfahren, wie lange er auf Knien gelegen hatte, unfähig zu atmen und vor Todesangst am ganzen Leib zitternd, mit klappernden Zähnen, den reglosen Körper der Frau in seinen Armen, und vergeblich um Hilfe schrie.
    Irgendwann verließen ihn die Kräfte und er wiegte sich schluchzend vor und zurück, Suse ganz dicht an seine Brust gepresst. Mit seiner blutverschmierten Hand streichelte er unentwegt über ihre Wange und flüsterte leise zusammenhanglose Worte.
    Während seiner Ausbildung zum Nautischen Offizier hatte er gelernt, die Symptome eines Schocks zu erkennen: Das vegetative Nervensystem überreagiert, in der Folge weiten sich die Blutgefäße, das Blut zieht sich aus dem äußeren Gewebe zurück und hinterlässt ein kaltes, feuchtes Gefühl auf der Haut. Der Blutdruck sinkt abrupt, weil nicht genug Blut durch die Gefäße zirkuliert, und ein schwacher, aber rasender Pulsschlag setzt ein. Der Dozent hatte eindringlich erklärt, dass ein emotionaler Schock genauso starke Symptome hervorrufen konnte wie der Verlust eines Körperteils und mitunter sogar lebensbedrohlicher war als die körperliche Versehrtheit.
    Matthias wusste also, dass er die Panik und den Lähmungszustand, welche auf den Schock folgten, nicht aufkommen lassen durfte. Suse brauchte ihn. Sie brauchte Hilfe! Hilfe, die er ihr nicht geben konnte, denn sein Handy lag neben dem Autowrack – in unzähligen Einzelteilen, zermalmt. Der Kofferraum ließ sich nicht öffnen, um den Sanitätskasten zu holen. Und weit und breit war kein anderes Fahrzeug in Sicht.
    „Nimm sie mir nicht weg, bitte. Das darfst du nicht, nicht jetzt. Nicht so. Ich flehe dich an. Nicht Suse.“
    Während der nächsten Minuten schickte er ein Stoßgebet nach dem anderen an den

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