Dann eben nicht, Jeeves
und wies mit einer Handbewegung auf die Smokingjacke, die auf einem Bügel am Kleiderhaken hing, »diese komische Joppe im Schrank verschwinden zu lassen und mir den weißen Samtblazer mit den Messingknöpfen herauszuholen.«
Er sah mich vielsagend an, und wenn ich »vielsagend« sage, dann meine ich, daß in seinem Blick etwas Respektvolles und zugleich Unverfrorenes lag und daß ein kurzes Zucken über sein Gesicht lief, das weder ein verstecktes Lächeln war noch ein nicht verstecktes Lächeln. Außerdem hüstelte er leicht.
»Ich bedaure, Sir, aber das von Ihnen apostrophierte Kleidungsstück habe ich versehentlich nicht eingepackt.«
Vor meinem geistigen Auge erschien die Tüte draußen in der Halle, und in Gedanken zwinkerte ich ihr vergnügt zu. Kann sein, daß ich sogar ein bißchen vor mich hin gesummt habe. Da bin ich mir nicht ganz sicher.
»Das weiß ich, Jeeves«, sagte ich und schnickte, mit halbgesenkten Augenlidern müde lächelnd, ein Staubkörnchen von meinen makellos weißen Spitzenmanschetten. »Aber ich hab’s eingepackt. Sie finden es in einer Tüte auf einem Stuhl draußen in der Halle.«
Die Mitteilung, daß seine finsteren Machenschaften konterkariert worden waren und daß der Blazer nun doch mit von der Partie war, muß ein ganz schöner Schock für ihn gewesen sein, aber seinem Mienenspiel war nichts anzumerken. Jeeves läßt sich überhaupt nur selten etwas anmerken. Wie ich schon zu Tuppy sagte, neigt er dazu, sich zu verstellen. Auch wenn es vielleicht in ihm brodelt, bleibt er äußerlich so ruhig wie ein ausgestopfter Elch.
»Laufen Sie doch bitte mal eben runter und holen Sie das Ding, Jeeves.«
»Sehr wohl, Sir.«
Und schon wenig später schritt ich, angetan mit dem weißen Siewissenschon, gravitätisch zum Salon.
Dort saß bereits Tante Dahlia. Als ich eintrat, sah sie auf.
»Nanu, du Komiker«, sagte sie. »Wie hast du dich denn zurechtgemacht?«
Ich verstand nicht, worauf sie hinauswollte.
»Meinst du das Jackett?« fragte ich auf gut Glück.
»Allerdings. Du siehst aus wie ein drittklassiger Conferencier aus einem Vorstadtvarieté.«
»Du bist nicht entzückt davon?«
»Mitnichten.«
»In Cannes hast du es aber ganz toll gefunden.«
»Wir sind hier aber nicht in Cannes.«
»Na hör mal …«
»Ach, ist ja auch egal. Wenn du meinen Butler unbedingt zum Lachen bringen willst, soll’s mir recht sein. Mir ist jetzt alles egal.«
Aus ihren Worten sprach eine Wurstigkeit, die mir gar nicht gefiel. Schließlich gelingt es mir nicht oft, Jeeves in der soeben geschilderten Weise zur Schnecke zu machen, und wenn es mir dann mal gelingt, möchte ich auch strahlende Gesichter um mich sehen.
»Kopf hoch, Tante Dahlia«, bat ich deshalb aufmunternd.
»Von wegen Kopf hoch«, erwiderte sie finster. »Ich bin gerade bei Tom gewesen.«
»Und du hast ihm alles erzählt?«
»Nein, nur zugehört. Ich hab’s einfach nicht fertiggebracht, ihm alles zu sagen.«
»Ist er immer noch böse wegen dieser Steuernachzahlung?«
»Das kann man wohl sagen. Er sagt, das Abendland sei dem Untergang geweiht und die Schrift an der Wand sei unübersehbar.«
»An was für einer Wand?«
»Altes Testament, du Büffel. Festmahl des Belsazar.«
»Ach so, ja. Ich möchte zu gerne wissen, wie sie das mit der Schrift gemacht haben. Wahrscheinlich mit Hilfe von Spiegeln.«
»Ich wünschte, ich könnte auch Spiegel benutzen, um Tom diese dumme Bakkarat-Geschichte beizubringen.«
Dazu hatte ich ein paar trostreiche Worte parat. Seit unserer letzten Unterhaltung hatte ich mir dieses Problem nämlich ausgiebig durch den Kopf gehen lassen und glaubte jetzt zu wissen, wo der Denkfehler steckte. Sie irrte sich einfach, wenn sie glaubte, Onkel Tom ins Bild setzen zu müssen. Meiner Ansicht nach war es viel besser, über diese Angelegenheit Stillschweigen zu bewahren.
»Warum willst du ihm überhaupt sagen, daß du dein Geld beim Bakkarat verloren hast?«
»Was schlägst du denn sonst vor? Soll etwa ›Mylady’s Boudoir‹ mitsamt dem Abendland den Bach hinuntergehen? Und genau das wird passieren, wenn ich nicht bis nächste Woche einen Scheck bekomme. Die Druckerei ist schon seit Monaten nicht gut auf mich zu sprechen.«
»Das verstehe ich aber nicht. Ich denke, es gibt ein stillschweigendes Abkommen, daß Onkel Tom die Rechnungen fürs ›Boudoir‹ begleicht? Wenn das Ding schon seit Jahren immer kurz vorm Eingehen ist, müßte er sich doch inzwischen daran gewöhnt haben, Finanzhilfe zu
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