Darf's ein Küsschen mehr sein?
Kneipe anrichten wollte. War ihr, als sie an jenem Abend die Schusswaffe geladen hatte, in den Sinn gekommen, dass sie ihre Kinder als Waisen zurückließ und dass ihre Taten sie dazu zwingen würden, mit den schrecklichen Konsequenzen zu leben? Hatte sie, als sie zum Hennessy’s gefahren war, an sie gedacht und sich nicht darum geschert? »Hast du deine Medikamente genommen?«
»Sie machen mich müde.«
»Du musst sie trotzdem nehmen.« Er löste sich von ihr und sah in ihr Gesicht hinab. »Travis ist auf dich angewiesen. Und ich auch.«
Sie seufzte. »Du ganz bestimmt nicht, und Travis wäre ohne mich bestimmt besser dran.«
»Meg.« Er sah ihr tief in die Augen. »Vor allem du solltest wissen, dass das nicht stimmt.«
»Weiß ich doch.« Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Ich hab damit nur gemeint, dass es ungeheuer schwer ist, einen Jungen großzuziehen.«
Er wollte verdammt noch mal hoffen, dass sie das gemeint hatte. »Dafür hast du ja mich.« Er lächelte, obwohl er sich jetzt zehn Jahre älter fühlte, als noch bevor er das Haus betreten hatte. »Und ich geh nicht weg. Obwohl du echt den beschissensten Hackbraten auf der Welt machst.«
Sie lächelte, und ihre Stimmung schlug einfach so um. Als hätte jemand in ihrem Kopf einen Schalter umgelegt. »Ich mag meinen Hackbraten.«
»Ich weiß.« Er ließ die Hände sinken und griff nach den Schlüsseln in seiner Tasche. »Aber du magst Alte-Leute-Essen.« Meg kochte wie ihre Großmutter früher. Als würde sie einen matschigen Eintopf für ein geselliges Beisammensein im Seniorenheim zubereiten.
»Du bist böse und hast einen schlechten Einfluss auf Travis.« Lachend verschränkte sie die Arme vor der Brust. »Aber du kriegst es immer hin, dass ich mich besser fühle.«
»Gute Nacht«, sagte er und öffnete die Tür. Kalte Nachtluft strich über sein Gesicht und seinen Hals, als er zu seinem Truck lief, und er atmete tief durch. Er hatte es schon immer hingekriegt, dass Meg sich besser fühlte. Immer. Dafür
hatte er selbst sich danach immer scheiße gefühlt. Sie brach zusammen, und danach ging es ihr wieder gut. Dass sie mit ihren unvorhersehbaren Stimmungsschwankungen einen Scherbenhaufen hinterließ, schien sie gar nicht zu bemerken.
In den zwölf Jahren, die er weg gewesen war, hatte er fast vergessen, wie sich diese Stimmungsschwankungen auf ihn auswirkten. Manchmal wünschte er, er wäre einfach nie zurückgekommen.
Kapitel 5
Maddie griff nach der Flasche Cola light, die auf ihrem Schreibtisch stand. Sie trank einen großen Schluck und drehte den Deckel wieder drauf. Als sie heute Morgen die Augen aufgeschlagen hatte, war ihr plötzlich klar gewesen, wie sie das Buch anfangen musste. Bisher hatte sie immer mit den grauenerregenden Fakten begonnen.
Diesmal setzte sie sich hin und schrieb:
»Ich verspreche dir, dass es dieses Mal anders wird, Baby.« Alice Jones sah ihr Töchterchen an und richtete den Blick wieder auf die Straße. »Truly wird dir gefallen. Es ist ein bisschen wie im Himmel, und es wird ja auch verdammt noch mal Zeit, dass Gott uns in ein besseres Leben führt.«
Baby erwiderte nichts. Sie hatte das schon so oft gehört. Die Aufregung in der Stimme ihrer Mutter und die Versprechungen, dass ihr Leben von nun an besser würde. Doch das Einzige, was sich je änderte, war ihre Adresse.
Wie immer wollte Baby ihrer Mutter glauben. Ganz bestimmt, aber sie war gerade fünf geworden. Alt genug, um zu merken, dass nie irgendwas besser wurde. Dass sich nichts änderte.
»Wir werden in einem hübschen Wohnwagen wohnen.«
Sie löste die Arme, die sie vor der Brust verschränkt hatte, und schaute durch die Windschutzscheibe auf die vorbeisausenden Kiefern. Ein Wohnwagenhaus? Sie hatte noch nie in so einem Haus gewohnt.
»Mit einer Schaukel im Vorgarten.«
Eine Schaukel? Eine Schaukel hatte sie auch noch nie gehabt. Sie wandte den Blick zu ihrer Mutter, deren blondes Haar in der Sonne leuchtete. Sie sah aus wie ein Weihnachtsengel. Als sei ihr Platz auf der Spitze eines Christbaums, und Baby erlaubte sich, daran zu glauben. An den Traum zu glauben, diesmal wirklich den Himmel zu finden. Sie erlaubte sich, an ein besseres Leben zu glauben, und ganze fünf Monate lang war es auch wirklich besser gewesen – bis zu der Nacht, als eine vor Eifersucht rasende Ehefrau mehrmals auf Alice Jones schoss und den Traum in einen Albtraum verwandelte.
Maddie schob ihren Schreibtischstuhl zurück und stand auf. Die Ärmel ihres
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