Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
prüfen«, mischt sich Namika ruhig ein, »es muss geprüft werden, ob sie die Geweissagten sind.«
»Ein Ammenmärchen!«, behauptet Felicia. »Eine Legende, die auf Unwissende ihren Reiz ausübt.«
»Alles, was sie uns zeigen, ist ein einziger, großer Bluff«, spuckt Jools aus. »Es ist nicht echt, nicht verankert. Es ist eine gut einstudierte Show. Aber im Ernstfall werden sie versagen. Sie kennen die wahre Härte nicht, sie sind Blender, sie haben es nicht verdient …«
»Genug, Jolanda Armengol, Felicia Armengol. Wir müssen auf die Weisheit der Oberin vertrauen. Die Wahrheit wird sich zeigen.« Ayasha hebt ihre Hand zu einer endgültigen Geste.
Jools legt sich ein zusammengerolltes Handtuch um den verschwitzten Nacken und verlässt wortlos den Trainingsraum und Felicia folgt ihr. Ihr Mund ist ein einziger zusammengepresster Strich.
Wir haben kaum Zeit, uns umzuziehen, in der Umkleide warten Mum und die Comtesse auf uns. Ihre Blicke sagen alles, es ist nicht vorbei, im Gegenteil, die geistige Prüfung wird sich nahtlos anschließen. Wollen sie uns überrumpeln? Mum reicht uns unsere Unterkleider und Umhänge, ihre Augen leuchten. Die Comtesse sieht aus wie immer, als würde sie alles, was passiert, furchtbar finden. Hinter uns verlässt sie den Raum und ich könnte schwören, ich höre sie »Der Orden ist dem Untergang geweiht« murmeln.
Doch die kryptischen Äußerungen der Comtesse bringen mich nicht mehr aus dem Konzept. Der Weg zur Bibliothek ist nicht weit. Mum geht zwischen uns.
»Passt mit Dorrotya und ihrer Schwester Haynalka auf. Sie können mit ihren Gedanken töten. Sagt man.«
Wie aufbauend.
»Wer sagt das?« Indie sieht mich kurz von der Seite an, doch ich zucke nur mit den Schultern.
»Emilia Ponti. Sie hat gesagt, sie sind perfekt in dem, was sie tun«, erklärt Mum. »Ich will nur, dass ihr sie nicht unterschätzt, auch wenn sie nach außen hin sanft und gutherzig wirken.«
Sie bleibt kurz stehen und dreht sich zu uns, bevor sie die schwere Eichentüre zur Bibliothek öffnet.
»Ihr müsst wissen, wie stolz ich auf euch bin. Und wie viel es mir bedeutet, wenn ihr die Oberin von euch überzeugt.«
Wir betreten die Bibliothek. Bücher sind in raumhohen Regalen bis unter die Decke gestapelt und ich widerstehe dem Impuls, einfach eines herauszuziehen, um es anzusehen. Die großen Fensterflügel geben den Blick zum Innenhof frei, Frauen harken dort die Kieswege und jäten Unkraut aus den Rosenbeeten. Alles ist so friedlich, so alltäglich, als wären wir nicht hier, weil wir auf großes Unheil zusteuern. In der Mitte der Bibliothek steht ein langer, schmaler Holztisch, an dem schon Dorrotya und Haynalka sitzen. Haynalka wurde uns noch nicht vorgestellt, im Gegensatz zu Dorrotya ist sie klein, mit weichem Gesicht. Sie lächelt uns freundlich zu. Ihr aschblondes Haar hat sie zu einem Knoten gedreht, die Kapuze zurückgeschlagen und ich bin mir sicher, dass ich sie, würde ich sie morgen ohne die Ordenstracht auf der Straße treffen, nicht wiedererkennen würde. An der Wand hinter ihnen sitzen die Oberin Aubrey Armengol und dreizehn andere Hüterinnen, darunter Marie Esperance Armengol, Kat und Miss Anderson. Hinter uns schlüpfen noch Jools und Felicia in den Raum. Mum begleitet uns bis zum Tisch, dann setzt sie sich auf den letzten freien Stuhl zu den anderen. Als ich mich umblicke, bemerke ich, dass die Comtesse nicht mit in die Bibliothek gekommen ist.
Indie und ich setzen uns gegenüber von Dorrotya und Haynalka an den Tisch. Mein Gegenüber ist Haynalka, sie zwinkert mir zu und zieht dann eine Augenbraue nach oben.
»Ernste Angelegenheit«, flüstert sie fast unhörbar, »bringen wir es hinter uns.«
Die Oberin räuspert sich ungeduldig und aus den Augenwinkeln sehe ich, wie Mum nervös auf ihrem Stuhl herumrutscht. Marie Esperance legt ihr beruhigend die Hand auf den Unterarm.
»Wir sind hier, um euch, Indiana und Dawna Spencer, auf eure Eignung für den Orden hin zu prüfen«, sagt Dorrotya nun laut, »es ist eine abgekürzte Prüfung, aber im Wesentlichen fast die gleiche, die alle jungen Hüterinnen nach ihrem Ordensjahr ablegen müssen.«
Jools flüstert Felicia etwas zu. Beide sehen immer noch wütend und ablehnend aus.
»Wir vom Orden können keine Rücksicht darauf nehmen, dass ihr ohne gründliche Vorbereitung in diese Prüfung geht …«
Nun wird Miss Anderson unruhig.
»Ich muss hier entschieden widersprechen«, fällt sie Dorrotya ins Wort, »die Mädchen wurden
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