Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
aufhalten kann, dann ja wohl ich«, antworte ich mit meiner coolsten Stimme.
Seine Hand ist brennend heiß an meinem Gelenk, wie eine glühende Fessel nagelt sie meinen Arm auf den Boden.
»Nichts. Nicht ihr. Nicht die Wölfe. Niemand«, spricht Rag weiter, als hätte ich gerade nichts gesagt.
Ich sehe ihn für einen Moment nur an, obwohl ich weiß, dass mir die Zeit davonläuft. Die Situation wird von Sekunde zu Sekunde auswegloser, denn Dawna ist nicht mehr in Sichtweite, und so wie sich meine Narbe anfühlt, ist die Distanz zwischen uns inzwischen sehr groß.
»Raguel«, sage ich zu ihm, wehre mich nicht gegen seinen Griff.
Mit letzter Kraft versuche ich, mich an das zu erinnern, was wir uns vorgenommen hatten. Wir lassen uns nicht trennen, wir bleiben zusammen, bis Azrael sich aus seinem Schattenreich erhebt … Aber wieso passiert nichts? Und es sieht so aus, als wäre alles minutiös geplant. So entspannt, wie Sam war, ist alles genau so, wie er sich das vorgestellt hat.
Mit zusammengekniffenen Augen nehme ich die Aura von Rag wahr. Sie ist blutrot und trotz der Dunkelheit der Nacht umgibt sie ihn wie eine leuchtende Krone.
»Raguel«, wiederhole ich, fixiere noch immer seine Aura.
Meine Worte laufen ins Leere, ich kann ihn nicht erreichen. Sein Körper scheint mich von Dawnas lindernden Gedanken abzuschneiden, mich von meiner Schwester zu trennen. Ich schließe die Augen. Du musst es jetzt alleine schaffen. Die Hitze seines Körpers drückt mich nieder, erzeugt in mir das Gefühl, aufgeben zu wollen. Ich versuche es, aber der Hass von Rag hüllt mich ein wie ein brennender Mantel. Ich versuche, an das zu denken, was Marie Esperance uns mit auf den Weg gegeben hat. Lass Liebe in dein Herz einkehren.
Ich höre nichts mehr von den anderen Kämpfen, nur meinen eigenen Atem und Rags Atem, seine böse Aura lastet auf mir.
Dawna ist weg. Diese Erkenntnis sickert in meinen Körper hinein, mein Atem stockt, meine Narbe schmerzt.
»Raguel. Engel der Gerechtigkeit und der göttlichen Ordnung«, flüstere ich.
Langsam öffne ich die Augen, mein Blick bohrt sich in seinen. Seine Aura scheint von Schlieren durchzogen zu sein. Blaßblau sickert es durch das Blutrot.
»Lass mich aufstehen.«
Er steht auf, weicht vor mir zurück, als hätte er sich an mir verbrannt. Mit wenigen Sätzen ist er zwischen den anderen Engeln verschwunden.
Erst jetzt fällt mir auf, dass dies kein Sieg für mich ist. Um mich herum stehen nur die Dunklen, um mich und das Tor. Sie haben genau das erreicht, was sie wollten. Ich stehe direkt vor unserem Grab, die dunkle Öffnung wie der Rachen eines Raubtieres auf mich gerichtet.
Meine Narbe fängt nun zu pochen an, der Schmerz lässt mich taumeln. Durch sie wird er Zugriff auf meine Seele haben. Und als hätte irgendjemand meinen Gedanken gespürt, spannt sich die Narbe, als würde sie von innen zerreißen.
Ich drehe mich einmal im Kreis, auf der Suche nach einem Verbündeten. Von weit entfernt dringt noch Kampflärm zu mir oder bilde ich mir das nur ein? Denn die Dunklen um mich herum kämpfen nicht, sie stehen wieder wohlgeordnet, die Gesichter ausdruckslos, solange sie keine neuen Befehle erhalten.
Wo sind die Wölfe?
Plötzlich erscheint mir der ferne Kampflärm keiner mehr zu sein, es ist der Wind, der zwischen den Gräbern heult.
Diego. Dusk. Wo seid ihr?
Vorsichtig gleitet mein Blick über die Dunklen vor mir. Warten die Wölfe nur auf einen geeigneten Zeitpunkt, um zuzuschlagen? Sams Plan geht auf, so wie jeder Dominostein den nächsten umkippt, so passiert auch jetzt genau das, was er geplant hat.
Nichts wird ihn noch aufhalten, höre ich Rags Worte.
Als ich den Blick hebe, sehe ich direkt in Sams Augen.
Sie lächeln.
Im ersten Moment will ich die Hand abschütteln, die sich mir auf die Schulter legt, dann weiß ich aber, wer hinter mir steht, den Blick fest auf Sam gerichtet. Das Lächeln um Sams Mund bleibt bestehen, aber seine Augen sind plötzlich eisig.
»Das wirst du bereuen«, wehen die Worte von Sam uns entgegen, aber Gabes Händedruck wird nur ein wenig fester.
»Es gibt keine Reue für den, der auf der richtigen Seite kämpft.«
Sams Augen werden plötzlich drohend.
»Die Vernichtung unserer Feinde ist nichts gegen die Qualen der Hölle«, höre ich wie aus weiter Ferne. Die Schmerzen, die sich in meiner Narbe sammeln, lassen mich nicht mehr klar denken, nichts würde ich lieber tun, als mich zusammenzurollen und die Augen zu schließen.
Hölle. Gabe
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