Dark Angels' Winter: Die Erfüllung (German Edition)
sie mich an, als läge es allein an meiner Willensstärke, dass ich eben das Bewusstsein verloren habe. »Und jetzt noch einmal von vorne.«
Kat und Miss Anderson halten mich an den Armen fest, meine Knie zittern und am liebsten wäre ich wieder auf den Boden geglitten. Aber wenn ich ein wenig schwanke, wird der Griff an meinen Oberarmen noch stärker. Kats Lippen bewegen sich unermüdlich, sie sieht hochkonzentriert aus. »Schnell. Lange können wir dieses Niveau nicht aufrechterhalten«, zischt mir Miss Anderson wieder zu.
Der Stein, denke ich und der Widerwillen, ihn anzufassen, ist riesengroß. Trotzdem gleitet er in meine Hand, die beiden Hüterinnen ziehen meine Arme nach oben und ich schließe meine Augen. Ich will sie nicht schließen, denn ich weiß, was ich sehen werde. Samael sammelt seine Kräfte, aus dem winzigen tanzenden Irrlicht wird eine blutgefüllte Blase, die anschwillt. Ein heiseres, böses Wispern erfüllt meinen Kopf.
»Gedanken abwenden«, sagt Kat leise.
Er wächst und wächst. Die Zeit seiner Körperlosigkeit ist bald vorbei.
»Du kannst das«, dringt Kat weiter in mich. »Wende ihm den Rücken zu. Lass es nicht zu, dass er die Macht über dich behält.«
Das heisere Lachen, das wahrscheinlich nur ich höre, kommt näher, schwillt an. Er wird nichts sagen, er wird jetzt nichts versuchen. Er wird nur verhindern, was er verhindern muss.
Als ich die Augen öffne, schlägt mir Miss Anderson mit voller Wucht ins Gesicht. Der Schmerz schießt in meinen Kopf und für einen kleinen Moment kann ich an nichts anderes denken.
»Indiana Spencer«, sagt sie nur und drückt mir das Glas mit den Salzkristallen an die Lippen. »Tu deine Pflicht.«
Ich werde dabei sterben, durchströmt mich eine unerbittliche Gewissheit. Ich halte es nicht ein zweites Mal aus. Während ich trinke, nehme ich Blickkontakt mit Kat auf. Sie hat alles gegeben. Sie hat alle ihre Kräfte gegeben, um mich zu retten. Und in diesem Moment hat sie Angst. Sie haben beide Angst, dass die Energie, die mich reinigen soll, mich töten wird. Ich weiß, dass sie gerade alles versuchen, dass es nicht so ist. Dass sie sogar mit ihrem eigenen Leben spielen, dass es sogar Dawnas Tod sein kann.
Ich will das nicht. Aber ich weiß, dass kein Weg daran vorbeiführt, dass ich es versuchen muss und dass es an mir liegt. Während sich die Energiewelle in meinem Körper aufbaut, sammelt sich wieder eine unerträgliche Hitze in meinem Bauch. Kat und Miss Anderson halten mich aufrecht, ich wehre mich gegen diesen Griff. Ich will hinaus, ich will aus diesem Bad hinaus, hinaus in den Schneesturm, um dieser glühenden Hitze zu entkommen.
Kat drückt mit ihren Händen so fest zu, wie sie kann, aber der Schmerz ist nichts gegen das, was an meiner Narbe geschieht.
»Indiana Spencer«, schreit mich Miss Anderson an.
»Ihr entstammt der mächtigsten Hüterinnendynastie, die es je in unserem Orden gab«, flüstert Kat. »Ihr seid die Stärksten. Ihr seid die Besten. Aber du musst es wollen, Indie. Du musst kämpfen. Du musst gewinnen WOLLEN.«
Aber wie?, hätte ich gerne gesagt. Ich kann einfach nicht mehr. Das Lachen von Sam und die Schmerzen in meinem Bauch werden so unerträglich, dass ich nur noch aufgeben will. Ich will lieber sterben, als weiter diese Schmerzen auszuhalten.
»Tu es für mich«, höre ich in weiter Entfernung Dawnas Stimme.
Tu es für mich, höre ich Grannys Stimme und dann, ganz langsam und vorsichtig, ziehe ich alle meine Kräfte in meinen Kopf, überlasse das Wüten der Schmerzen meinem Körper und baue einen Schutzwall um meinen Geist.
Du kannst mir nichts, Samael. Du wirst nicht gewinnen. Jetzt nicht. Morgen nicht. Und auch nicht an meinem 18. Geburtstag.
Heiß und schmerzhaft schießt plötzlich die Energiewelle in meine Beine und das reine Glück erfasst meinen ganzen Körper.
Die Hände von Kat und Miss Anderson lassen mich los. Ein Schwall Wasser wird über meinen Kopf gekippt. Und die lateinischen Worte, die mein eigener Geist flüstert, entlassen mich wieder in die Wirklichkeit.
27
Dawna
W ie ein kleines Kind stehe ich nur daneben. Ich bin nackt, Wassertropfen glitzern auf meinem Körper. Die letzten Minuten kleben noch wie flüssiges Pech im Raum. Erst lief alles so leicht und mühelos, doch dann spürte ich, wie etwas anderes nach uns griff. Nach Indie. Und dass dieses andere Indie nicht loslassen würde. Miss Anderson kämpfte, während ich hilflos dabeistand und mit ansehen musste, wie Indie litt, sich
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