Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
Und daraus ergibt sich, dass wir mehr nach rechts müssen.»
Joash starrte Miro mit offenem Mund an. «Das ist jetzt ein Scherz, ey?»
«Nein», antwortete Miro. «Das ist eine mathematische Gleichung.»
Joash riss ihm das Pflänzchen aus der Hand und untersuchte es eingehend. «Und das alles hast du in ein paar Sekunden herausgefunden? Mit einem Unkraut?»
«Paragonia constrycta», betonte Miro gedehnt.
«Er ist ein Genie», flüsterte Ephrion Joash ins Ohr. «Er lernt ganze Bücher auswendig, weißt du.»
Kopfschüttelnd warf Joash die Paragonia constrycta auf den Boden. «Wir sollen also den Weg verlassen und querfeldein weiterziehen? Nur weil deine Parasita soundso es dir gesagt hat, ey? Dir ist schon klar, dass wir uns dann hoffnungslos verirren werden in dieser Pampa, oder?!»
Miro war noch immer von seinem Plan überzeugt. «Nach meinen Berechnungen befinden sich die Ewigen Sümpfe vierunddreißig Meilen südwestlich von uns. Wir können natürlich auch weiter in den Süden gehen, über die Napo-Berge klettern und von dort in die Ewigen Sümpfe eindringen, aber allein bis an den Fuß dieser Gebirgskette sind es von hier aus zweiundfünfzig Meilen. Also schlage ich vor, wir nehmen den kürzesten Weg: querfeldein. Wenn wir die Richtung immer schön beibehalten, kann eigentlich nichts schiefgehen.»
«Und wenn dieser Mann mit dem Boot an einer ganz anderen Stelle auf uns wartet?», gab Ephrion zu bedenken.
«Ephrion hat Recht», teilte Aliyah seine Überlegung und tastete nach ihrem Wolf. «Was meinst du, Nayati? Welchen Weg sollen wir nehmen?»
Als hätte Nayati darauf gewartet, nach seiner Meinung gefragt zu werden, trabte er ein Stück auf der Straße weiter, blieb stehen, sah zurück und trabte noch ein Stück weiter. Als die Jugendlichen ihm nicht folgten, bellte er zweimal.
«Klingt für mich vernünftiger als deine Grünzeugtheorie», sagte Joash und ging mit großen Schritten hinter Nayati her. Ephrion und Aliyah taten es ihm gleich, und Miro streckte beleidigt sein edles Näschen in die Luft.
«Wissenschaftsbanausen», brummte er vor sich hin, während er mit verschränkten Armen hinter den andern herwatschelte.
Keine Minute später tauchte überraschend eine Kreuzung mit einem Wegweiser aus dem Nebel auf. Die Straße, die weiter in den Süden führte, war beschriftet mit «Örsom a. F. d. Napo-Berge – 52 Meilen», der etwas schmalere Weg nach Südwesten mit «Pinzkrit – 30 Meilen». Nayati warf Miro ein verschmitztes Lächeln zu, bevor er schwanzwedelnd nach rechts abbog.
Woher hat er wissen können, dass sich hier der Weg teilt?, wunderte sich Miro und sah dem Wolf verblüfft hinterher. Nayati drehte sich um, und es kam Miro so vor, als würde er übers ganze Gesicht grinsen.
«Dann wäre wohl geklärt, wohin wir gehen», meinte Aliyah.
«Ist Pinzkrit denn in der Nähe der Ewigen Sümpfe?», fragte Ephrion.
«Es ist die letzte bewohnte Stadt davor», erklärte Miro knapp. «Wenn wir unser Tempo halten, sind wir morgen dort.»
«Na, dann mal los», sagte Joash und stapfte mit großen Schritten hinter Nayati her. Aliyah, Ephrion und Miro taten es ihm gleich.
Sie waren kaum losgegangen, als plötzlich ein stechender Schmerz durch Ephrions rechtes Bein zuckte. Der Junge sackte zusammen, konnte sich aber gerade noch auffangen, bevor jemand etwas bemerkte. Er biss sich auf die Zähne, um nicht laut loszujaulen. Nicht schon wieder, dachte er und schüttelte sein Bein. Es war kein gewöhnlicher Schmerz. Es war kein Muskelkrampf, und er hatte sich auch nirgends verletzt. Ephrion wurde das unangenehme Gefühl nicht los, dass die Schmerzen einen ganz anderen Ursprung hatten. Doch er beschloss, das Ganze zu ignorieren und tapfer zu sein. Helden kennen keinen Schmerz, sagte er sich. Und er war schließlich ein Held; ein Held, der seit tausend und abertausend Jahren dazu bestimmt war, Dark City vor dem Untergang zu retten. So hatte es Mutter gesagt, und obwohl Ephrion manchmal seine Zweifel daran hatte, überhaupt für irgendetwas auserwählt worden zu sein, halfen ihm diese Gedanken, nicht aufzugeben. Schmerzen hin oder her. Irgendwie würde er das schon schaffen.
Nach ungefähr zwei Stunden Fußmarsch knickte Ephrion erneut ein, verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Joash half ihm beim Aufstehen, doch als Ephrion versuchte, auf seinen rechten Fuß zu treten, schrie er vor Schmerzen auf.
«Was hast du?», fragte Aliyah besorgt.
«Ich weiß es nicht», gestand Ephrion. «Es ist mein Bein.
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