Dark City 2 (Die Tränen des Lichts) (German Edition)
lächelte gequetscht. «Muss nicht unbedingt sein, Miro. Ich glaub dir ja.»
Aber Miro wedelte bereits mit einem Stück Trockenfleisch in der Luft herum. «Ich hab schon viel über Werfische gelesen. Wollte schon immer mal einen aus der Nähe sehen. Ihr nicht?»
«Also, wegen mir musst du dich nicht bemühen, ehrlich nicht», versuchte ihn Ephrion hustend umzustimmen. Miro ignorierte ihn und suchte seine Unterstützung bei Sihana.
«Was meinst du, Sihana? Soll ich das Fleisch reinwerfen oder nicht?»
Er blinzelte ihr zu, doch Sihana tat, als hätte sie es nicht gesehen.
«Also, ich meine …», sagte sie ernst und kreiste mit dem pinkfarben lackierten Fingernagel ihres Zeigefingers über dem Bootsrand. «Diese Werfische, die können nicht zufällig aus dem Wasser springen oder so was?»
Miro grinste und plusterte sich vor Sihana auf wie ein Pfau. «Du brauchst keine Angst zu haben, Sihana. Das Experiment ist völlig harmlos, solange wir im Boot bleiben. Vertrau mir.»
Joash, der mit einem Löffel eine Dose Bohnen in sich hineinschaufelte, sah auf.
«Das will ich sehen. Schmeiß das Teil rein, Hirn.»
«Also gut», sagte Miro zufrieden und hielt das Fleischstück für einen Moment in die Höhe, um die Spannung zu steigern. «Haltet euch fest. Gleich ist hier die Hölle los. Eins … zwei … und drei!»
Das Stück Trockenfleisch platschte ins Wasser. Wie gebannt starrten alle auf die Stelle, wo es auf die Wasseroberfläche geklatscht war, und warteten. Aliyah lauschte angespannt. Eine Sekunde verstrich, eine zweite, eine dritte. Nichts passierte. Die vierte Sekunde verstrich, die fünfte, und dann passierte es: Dort, wo das Trockenfleisch ins stille Wasser gefallen war, begann es zu blubbern und zu spritzen wie in einem schwarzen Sprudelbad. Sihana stieß einen spitzen Schrei aus, klammerte sich an ihre Sitzbank und brach sich dabei einen Fingernagel ab. Ephrion ließ vor Schreck seine fünfte Wurstscheibe fallen. Er starrte auf das Wasser und brachte kein Wort heraus. Selbst Miro klappte der Mund auf. Das, was sich vor ihren Augen, keine zehn Fuß von ihrem schaukelnden Bötchen entfernt, abspielte, war ein makabres Schauspiel.
Mehrere dunkelgraue, riesige Leiber scharten sich dicht an der Oberfläche um den Leckerbissen, es zischte und schäumte, gespaltene Schwanzflossen klatschten zuckend auf die Wasseroberfläche, und die hungrigen Werfische zerrten von allen Seiten an dem Fleischbrocken, bis nichts mehr davon übrig war. Und genauso rasch, wie sie gekommen waren, verschwanden die Raubfische in der dunklen Tiefe, und alles, was zurückblieb, waren ein paar harmlos verspielte Wellen.
«Waren sie das?», flüsterte Aliyah, die nur schon beim Anhören der Geräusche ganz weiche Knie gekriegt hatte.
«Geh einfach nicht baden, Kleine», sagte Joash und kratzte mit dem Löffel die letzten schwarzen Bohnen vom Boden der zweiten Dose. Die Fische schienen ihn nicht groß zu beeindrucken.
«Wir sind erledigt», piepste hingegen Ephrion mit weinerlicher Stimme. Der Hunger war ihm gänzlich vergangen. «Habt ihr … habt ihr das gesehen?»
«Immer schön ruhig bleiben, Leute», sagte Miro und hob beschwichtigend die Arme, aber mehr, um sich selbst zu beruhigen. «Solange wir im Boot bleiben, sind wir in Sicherheit. Es kann uns nichts passieren. Es ist alles gut.»
«Sind sie weg?», fragte Sihana leise. Sie war noch immer ganz bleich im Gesicht.
Sie lauschten. Es war alles still. Die Wasseroberfläche glättete sich und sah wieder aus wie ein einziger, unendlich weiter Spiegel aus schwarzem Öl, bedeckt von grauen Nebelschwaden, die dicht über dem Wasser schwebten und dem Sumpf etwas Gespenstisches verliehen.
Ephrion fühlte sich ganz elend. «Bei Shaíria», murmelte er. «Worauf haben wir uns da bloß eingelassen? Warum hat uns Mutter nichts von diesen Werfischen gesagt?»
«Damit ihr keine kalten Füße kriegt», meinte Joash und warf die leere Dose ins Boot.
«Die Viecher sind ja riesig. Wahrscheinlich ist der ganze Sumpf voll davon. Oh je», bibberte Ephrion. «Und was ist, wenn sie uns plötzlich attackieren? Wenn sie das Boot kippen?»
«Das werden sie nicht», versicherte ihm Miro, aber es klang nicht sonderlich überzeugend.
Ephrion packte eifrig die Lebensmittel in den Rucksack zurück und versuchte dabei, an etwas anderes als die fleischfressenden Werfische zu denken. Aber es gelang ihm nicht.
«Wenn schon die Fische in diesem Sumpf so furchtbar sind», überlegte er. «Wie wird dann erst
Weitere Kostenlose Bücher