Dark Future: Herz aus Feuer
Verantwortung trägst. Denkst du, dass du jetzt ebenfalls die Verantwortung für mich trägst?«
Die Worte schnitten ihm wie ein Messer ins Innerste. »Ich habe die Verantwortung für jeden in dieser Anlage.«
Seine Verantwortung. Und er hatte diese Menschen enttäuscht, jeden Einzelnen von ihnen.
Schuld und Reue waren verdammt schwierig. Er hatte viel Zeit damit verbracht, so weit zu kommen, dass er über diesen Gefühlen stand und vergeben konnte. Er hatte auch versucht, so weit zu kommen, dass er sich selbst vergeben konnte. Aber er war weit entfernt von dieser Stufe der Erleuchtung, hatte noch nicht einmal aus dem eigentlichen Sumpf herausgefunden.
Denn jeder außer ihm hatte sterben müssen. Er hatte die Beulenpest in seine Familie getragen, und dann hatte er es nicht geschafft, sie zu retten. Und selbst wenn das irgendwie zu verzeihen war, war das, was er jetzt getan hatte, noch viel schwerwiegender. Er hatte mit einem Monster zusammengearbeitet und eine Seuche erschaffen, die unzählige Menschen das Leben kosten konnte.
Also, ja, sich selbst zu vergeben stand nicht gerade ganz oben auf seiner To-do-Liste.
Tatiana hatte ihre Hand auf seinen Arm gelegt. Diese kleine Geste fesselte seine gesamte Aufmerksamkeit.
»Wovor hast du Angst, Tristan?«
Da war sie: die stinkende, hässliche, nackte Wahrheit.
Er hatte vor so vielem Angst. Vor der Seuche, die er geschaffen hatte. Vor den Mutationen, die sie durchgemacht hatte. Vor den Kreaturen, die sie hervorgebracht hatte.
Er hatte keine Angst um sich, sondern davor, dass die Seuche sich ausbreiten und das gesamte Ödland befallen würde. Vielleicht sogar die gesamte Welt.
Das Szenario erinnerte an die Weltuntergangspropaganda der Alten Führung, die Bioterrorismus als ständige Gefahr ausgerufen hatte. Nur diesmal war die Gefahr echt und keine verfälschte, aufgeblasene Panikmache, die eine korrupte Regierung sich erdacht hatte.
Die Gefahr war real, und er hatte sie geschaffen. Wenn die Seuche die Anlage verließ, war die gesamte menschliche Rasse dem Untergang geweiht – und das war seine Schuld. Er wollte dafür sorgen, dass es niemals so weit kam, und der einzige Weg war es, den Erreger zu vernichten. Oder den Wirt.
Also war es ziemlich verdreht, sie beschützen zu wollen, wenn er sie am Ende doch umbringen musste.
Er musste sie alle der Reihe nach töten: Gemma, Alan, Kalen, Lamia. Wenn die Krankheit voranschritt, würde er siebenunddreißig Menschen umbringen, einen nach dem anderen. Siebenunddreißig Menschen, die er kannte und mochte. Denn die Alternative – sie so weiterleben zu lassen – war keine Option.
Gnade, so nannte er es. Nur ein anderer Name für Mord.
Ana war die Nummer achtunddreißig.
Scheiße.
Er konnte es nicht riskieren, ihr die Wahrheit zu sagen. Nicht solange er die Anlage nicht verschlossen und versiegelt hatte. Nicht solange sie hier unten nicht gefangen war, damit er so den Rest der Welt beschützte.
Sie wollte wissen, wovor er Angst hatte? Tja, sie würde es noch früh genug herausfinden. Und dann würde sie sich wünschen, nie gefragt zu haben.
Also antwortete er nicht. Er schob sie einfach nur hinter sich und riss an dem Zündkabel, um die Cytoplast-Sprengsätze auszulösen.
Ein lautes
Wumm
erklang. Kreisförmig breitete sich die Druckwelle aus, als der hohle Tunnel implodierte und in sich zusammenstürzte. Durch die Wucht der Detonation wurde er nach hinten gegen sie gedrückt. Sie schlang ihre Arme um seine Taille und fing sie beide ab.
Mit einem Klingeln in den Ohren drehte er sich zu ihr um. Sie standen nahe genug, dass er das Heben und Senken ihrer Brust an seinem Körper spüren konnte. Das Geräusch von herabrieselndem Kies, von herabfallenden Trümmern der Explosion drang wie aus weiter Ferne an ihn heran. Sein Blick fiel auf ihre Lippen.
Ein Herzschlag, zwei. Der Moment zog sich hin, bis plötzlich ein Knacken aus seinem Headset drang.
»Bericht, Tris?«
»Sprengung erledigt.«
Ana ließ die Hände sinken, machte einen Schritt zurück und stand nur eine Armeslänge von ihm entfernt. Mit diesen unglaublichen Augen – flüssiges Silber, umrahmt von dunklen Wimpern – musterte sie ihn. Es fühlte sich an, als hätte der Abstand zwischen ihnen ebenso gut ein ganzer Ozean sein können.
Wie viel Zeit blieb ihr noch? Wochen? Wie viel Zeit blieb den anderen noch?
Niemand von uns ist allein. Wenn andere ausatmen, atmen wir ein. Das Universum ist eins.
Er musste daran glauben.
Sie würden sterben, jeder
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