Dark Future: Herz aus Feuer
sie sprudelten nur so aus ihr heraus, halb geweint, halb geknurrt. Und das, was sie über sie verrieten, empfand sie als abstoßend.
Er nickte, als wären ihre Worte absolut sinnvoll. »Darin ist eine verdrehte Logik zu erkennen.«
Aber das stimmte nicht. Es war überhaupt nicht logisch.
Schließlich ließ er die Hand sinken, als würde er jetzt verstehen, dass sie sie nicht ergreifen konnte.
Sie betrachtete den Berg von Leichen auf dem Boden, und ihre Gefühle schwanden mit einem Mal, sanken in eine tiefe Grube in ihrem Herzen. Sie blieb zurück und fühlte nichts und alles. Ihre Verwirrung war so groß, dass ihr davon schwindelig und übel wurde.
Als sie den Kopf hob, bemerkte sie, dass er sie im Schein der flackernden Lampen beobachtete. Es klebte Blut an seinem Gesicht, seinen Armen, seiner Brust. Ein Ärmel und sein halbes Shirt waren abgerissen, zerfetzt, sein Fleisch aufgerissen und zerschnitten. Sie konnte sich vorstellen, dass sie genauso übel zugerichtet aussah wie er.
»Was zur Hölle war so wichtig, dass du dein Leben riskiert hast, um hierherzukommen?«, wollte sie wissen und sah sich in dem zerstörten Labor um.
»Die Hoffnung.« Tristan ging zum anderen Ende des Labors. Dort befanden sich Aufbewahrungsbehälter und Schränke. Sie waren kaputt, die schützenden Wände aus Kunststoffglas beschädigt, die Warnhinweise mit Blut bespritzt. Er öffnete eine Metalltür. Im Innern lagen herausgerissene Regalböden, zerbrochene Messbecher und Petrischalen. Der Inhalt lag daneben. Er machte die nächste Tür und die nächste auf, und hinter jeder erblickte er dieselbe Zerstörung.
Zwischen zusammengebissenen Zähnen stieß er die Luft hervor. »Das hier«, sagte er. »
Das
war so wichtig. Doch sie haben es wohl schon vor Wochen vernichtet. Ich dachte, es wäre hinter den verschlossenen Türen sicher, könnte brüten und sich vermehren. Das Heilmittel. Das verfluchte Heilmittel. Und jetzt ist alles verloren. Es ist verdammt noch mal alles verloren.«
Mit einer ausholenden Armbewegung fegte er die kaputten Überreste vom untersten Regal und warf alles zu Boden. Stücke von Kunststoffglas und Gewebe rieselten herunter. Seine Enttäuschung und Verzweiflung waren beinahe mit Händen greifbar.
Vor ihrem inneren Auge sah sie ihn in jener Nacht vor
Abbott’s,
als er mit der Faust gegen die Seite von Viktors Sattelzug geschlagen hatte. Der Ausbruch damals und der Ausbruch jetzt sagten viel über ihn, weil er sonst so kühl und beherrscht war.
Mit der flachen Hand schlug er gegen den Schrank und hinterließ einen blutigen Abdruck. Er erstarrte, eine Hand ausgestreckt und am Türrahmen abgestützt.
Dann ließ er den Kopf hängen, und sein zerzaustes, struppiges Haar fiel nach vorn. Sein Rücken war gekrümmt und jeder Muskel in seinem Körper angespannt.
»Alles war hier«, sagte er, und seine Stimme zitterte vor Wut. »Fetales Kälberserum, Hydrokortison, pH-neutraler Nährbodenträger.« Er zog seine Hand zurück, und Tatiana dachte, er würde noch einmal gegen die Schranktür schlagen, aber das tat er nicht. Er riss sich im letzten Moment zusammen, nahm die Hand kurz hoch und ließ sie dann sinken, auch wenn es ihn sichtlich Kraft kostete. Als er sprach, klang seine Stimme leise und kontrolliert. »Meine Gewebeproben. Virusproben. Alles ist kaputt, zerstört. Jede Hoffnung auf ein Heilmittel ist zerstört.«
Er richtete sich auf, drehte sich jedoch nicht um. Tief und bedächtig atmete er durch, und sein Rücken hob und senkte sich wieder.
Schließlich wandte er sich um, und sie fing seinen leeren Blick auf.
»Wir müssen gehen.« Ein Befehl.
Doch er hatte recht. Denn in der Ferne konnte sie die Geräusche der Monster hören, die sich im Dunkel sammelten.
Der schwache Geruch von Schwefel kitzelte in ihrer Nase.
»Pass auf deinen Kopf auf«, sagte Tristan. Er hatte das Phosphorpäckchen an seinem Werkzeuggürtel angemacht, um ihnen den Weg zu leuchten. Sie war überrascht, dass der Gurt im Kampf nicht abgerissen war.
Da ihre Fähigkeit zu sehen seine bei weitem übertraf, musste sie fast lachen. Allerdings hatte sie das ungute Gefühl, dass sie, wenn sie einmal damit anfing, nicht mehr würde aufhören können. Also schluckte sie das Lachen herunter, zog den Kopf ein und folgte ihm in einen engen, feuchten Spalt. Es war kein Zugangstunnel und auch kein von Menschenhand gemachter Durchgang. Es war einfach eine schmale Felsspalte in einer soliden Wand aus Naturstein.
Nach ein paar Schritten
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