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Dark Heart: Zweiter Band

Dark Heart: Zweiter Band

Titel: Dark Heart: Zweiter Band Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claire Knightley
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Fußspuren verschwunden sein würden. Deshalb folgte ich Marks Beispiel, der auf dem Weg zu Miltons Hütte Markierungen gesetzt hatte. Im Abstand von zehn Metern knickte ich die Äste an Bäumen so ab, dass sie herunterhingen und mir im Notfall den Rückweg wiesen.
    Als ich noch tiefer in die Wildnis vorgedrungen war, flaute der Wind mit einem Mal ab, so als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Der Schneefall aber blieb unvermindert, Flocken tanzten wie Sterne im Lichtstrahl der Taschenlampe. Ich hielt inne. Nicht weit entfernt hörte ich ein Schluchzen. Ich ließ den Strahl wandern. Bäume warfen zitternde, tanzende Schatten, so als würden sie im ungewohnten Licht zum Leben erwachen. Zwischen den schlanken Stämmen sah ich eine Frau mit langem schwarzem Haar, die auf dem Boden kauerte. Ihr Gesicht konnte ich nicht erkennen, denn sie wandte mir den Rücken zu.
    »Hallo?«, rief ich. Mein Herz schlug wie wild.
    Doch die Frau schien mich nicht zu hören. Sie erhob sich und wankte im grellblauen Licht durch den Schnee davon. Als ich die Stelle erreichte, an der sie gehockt hatte, fand ich keine Vertiefung, keine Fußspuren, die Schneedecke war unberührt.
    Wieder hörte ich das Schluchzen, diesmal schien die Frau nach jemandem in einer fremden Sprache zu rufen. Ich rannte durch das Dickicht auf sie zu, versuchte ihr den Weg abzuschneiden, aber es war vergebens. Wieder hatte sich die Gestalt auf unerklärliche Weise in Luft aufgelöst.
    Ich lief weiter in die Richtung, in der ich sie zuletzt gesehen hatte, als plötzlich die Wolkendecke aufriss und der volle Mond erschien. Ich stand vor einem Berg, der wie ein Mahnmal hinauf in den Himmel ragte, an dem jetzt Myriaden von Sternen blitzten. An seinem Fuß befand sich der niedrige Eingang zu einer dunklen Höhle.
    Die Frau stand abseits bei einem nackten Strauch und weinte, das Haar fiel ihr wirr ins Gesicht. Eine Krähe flog auf, ich hörte überlaut das Peitschen ihrer Flügel, als sie sich in den Himmel erhob und zwischen den hohen Bäumen verschwand. In diesem Moment war auch die Fremde verschwunden.
    Da kam mir wieder Emilias Buch über Indianerlegenden in den Sinn. Masau, der Gott des Todes, hatte sich in eine sterbliche Frau verliebt. Doch als sie ihn mit einem anderen Mann betrog und ein Kind bekam, dem sie den Namen Sonnenvogel gab, sprach er einen doppelten Fluch aus. Aus Sonnenvogel wurde Nachtrabe. Und die Mutter verdammte Masau dazu, für alle Zeit durch die Wälder zu streifen und nach ihrer Tochter zu suchen.
    Ich nahm meinen ganzen Mut zusammen und betrat die Höhle. Ich hatte das Gefühl, dass mein ganzes Leben auf diesen einen Augenblick zugesteuert war. Hier würde sich mein Schicksal erfüllen. Mein Schicksal, das meines Vaters und aller Nachtgeschöpfe.

Die Höhle war…
    D ie Höhle war stockfinster. Das Licht der Lampe war kalt und wenig tröstlich. Vorsichtig tastete ich mich an der zerklüfteten Wand entlang, wobei ich aufpassen musste, nicht über am Boden liegendes Geröll oder einen Felsvorsprung zu stolpern. Das Herz schlug mir bis zum Hals, meine Knie zitterten. Aber es gab kein Zurück mehr. Was immer hier in der Finsternis lauerte, ich würde mich ihm stellen müssen.
    Der beißende Geruch brennender Kräuter stieg mir in die Nase, ich musste husten. Ich erkannte Sandelholz, Salbei und etwas Weihrauchartiges.
    Immer tiefer ging es hinab, immer steiniger wurde der Weg und immer stickiger die Luft, bis ich meinte, kaum noch atmen zu können. Obwohl es kalt war wie in einer Gruft, rann mir der Schweiß über die Stirn und reizte meine Augen. Mir wurde schwindelig. Immer wieder lehnte ich mich an die zerklüftete Höhlenwand, um Atem zu schöpfen. Unter meinen Schläfen pochte der Schmerz. Verschwommene Bilder tauchten auf und verschwanden, noch ehe ich irgendetwas erkennen konnt e – als ob jemand in der Dunkelheit den Blitz einer Kamera ausgelöst hätte. War dies das Werk Solomons? Gaukelte er mir Trugbilder vor, um mich endgültig ins Verderben zu locken? Hatte er meinen Vater in seiner Gewalt? Dann würde er alles tun, um ihm auch noch die letzten Geheimnisse der Nachtgeschöpfe zu entreißen. Mich würde er, ohne zu zögern, aus dem Weg räumen.
    Meine Augen begannen zu tränen, der Rauch brannte in meiner Lunge. Ich krümmte mich in einem Hustenanfall. Die Bilder, die vor mir aufleuchteten, wurden jetzt deutlicher.
    Ich sah ein weites, nebelverhangenes Feld, auf dem ein großer schwarzer Hund umherschnüffelte. Weit und breit nur

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