DARK MISSION - Fegefeuer
und alles andere, mach endlich, dass sie hier neben dir auf dieser hässlichen, unbequemen Couch landet!
Aber was schließlich herauskam, klang wie ein Knurren: »Ich bin echt nicht in der Stimmung, mich zu unterhalten, Jessie. Wenn du also Gesellschaft möchtest, wäre es am besten, du ziehst dich aus.«
Jessies Schweigen veränderte seine Qualität; es wurde schärfer. Bissig.
Er hörte ihre Stiefelsohlen über den Teppich schrappen, eine Tür knarren. Mit einem Klicken wurde die Schlafzimmertür ins Schloss gezogen. Sie wurde nicht zugeschlagen, was Silas als Reaktion erwartet hätte. Frustriert stieß er langsam den Atem aus.
Nett. Richtig nett. Weiter so, und es wären nicht die Magiebesessenen, die ihm bei dieser Mission das Leben schwer machen würden, sondern seine eigene verdammte Ungeduld. Es musste ihm endlich gelingen, sich für diese Lachnummer einer Operation zusammenzureißen. Sonst verlöre die Mission noch die einzige Spur zu Caleb Leigh.
Und Naomi würde ihm den Arsch aufreißen.
Silas öffnete die Augen und betrachtete das Muster aus Stockflecken an der Decke. Nicht einmal ein Tag in Jessica Leighs Gesellschaft, und schon hatte Silas einen Zivilisten verletzt. Nun, nicht so direkt, klar. Aber es war seine Schuld, dass der Drecksack Jessie überhaupt aufgelauert hatte, sie sogar angefasst hatte. Ihr einen Faustschlag auf die vollen Lippen verpasst hatte.
Jessie, das war sein Plan gewesen, sollte eigentlich nicht in die Sache hineingezogen werden.
Genauso wenig wie ein anderes Mädchen, zu einer anderen Zeit. Bei einer anderen Mission.
Silas streckte sich auf der Couch aus. Er zuckte zusammen, als sein Knie augenblicklich schmerzhaft protestierte. Der Schmerz bohrte sich ihm nicht so tief ins Herz wie die Erinnerungen, die Silas aus den schmutzig braunen Flecken an der Decke herauslas. Trotzdem war der Schmerz heftig genug, um seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.
Das beschissene Knie wollte einfach nicht richtig heilen. Teilweise, so vermutete er zumindest, weil sich Silas nie lange genug ausruhte, um den Sehnen die Zeit zu geben, wieder zusammenzuwachsen. Zum Teil aber auch, und das war keine Vermutung, weil er einfach beschissen zu alt für diesen Job wurde. So viele Jahre im Dienst der Mission forderten eben ihren Tribut, körperlich wie seelisch.
Zu viel Zeit in Gesellschaft von Missionaren und Hexen zu verbringen, hatte in jedem Fall die Synapsen in der für Höflichkeit zuständigen Gehirnregion völlig gelähmt.
Andererseits reichte ja schon Jessies weiblich-schlanker Körperbau, um seinen Verstand zu Matsch zu verkochen.
»Meine Fresse!«, murmelte er und warf die langsam, aber sicher aufgetaute Packung mit Fertignahrung neben sich auf die Couch. Mühsam berappelte er sich und kam auf die Füße. Er fühlte sich wie der letzte Idiot, wie er so über den schäbigen Teppich humpelte.
Leise klopfte er an die Schlafzimmertür.
Keine Reaktion. Er zuckte zusammen. »Jessie?« Er kam sich dämlich vor, wie er da vor der Tür stand, mehr wie ein verknallter Teenager als wie ein erwachsener Mann. »Schläfst du schon?«
Erleichterung rang mit Schuldgefühlen, als von ihrer dunklen, rauen Stimme hinter der Tür nichts zu hören war. Wahrscheinlich saß sie ganz Furie im Bett und war auf Hundertachtzig.
Eines war klar: Er hätte trotzdem nicht so mit ihr reden dürfen. Es machte die ganze Sache eher noch schlimmer. Silas verdrehte die Augen gen Decke und sagte brummig: »Ich wollte mich entschuldigen.Für vorhin. Für meinen …« – tja, was? Meinen Vorschlag, mein Angebot, meine Fantasien? – »… unpassenden Kommentar.« Er rieb sich mit der Hand übers Gesicht. »Du hast einiges einstecken müssen.«
Immer noch keine Reaktion. Alles, was zu hören war, war der Regen, der gegen die Fenster in Silas’ Rücken trommelte. Silas wandte sich von der Tür ab, kopfschüttelnd.
Dann zögerte er.
Ganz langsam drehte er sich wieder zur Tür um. Ein winziger Zweifel regte sich in seinem von der Mission ausgebildeten Verstand.
Jessica Leigh war Stripperin. Sie hatte gelernt, es zu einer verdammten Kunst entwickelt, außerhalb der Gesellschaft und damit auch außerhalb von deren Schutz und Annehmlichkeiten zu leben. Nur mit viel Glück hatte Silas Jessie überhaupt finden können. Er hatte ihr erzählt, dass er für die Regierung arbeite. Das war wahrscheinlich mehr Schutz und Annehmlichkeit von Seiten der Gesellschaft, als sie an sich heranzulassen gewillt war.
Silas riss
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