Dark Places - Gefährliche Erinnerung: Thriller (German Edition)
mal klargestellt werden. An dem Tag, als die anderen umgebracht wurden, ist jede Menge Scheiße passiert, Libby. Ich hab viel darüber nachgedacht, es hat mich gequält. Das war ein verdammt schlechter Tag. Ein verfluchter Tag. So wie ich«, fügte er hinzu. »Aber Mann, damals wurde alles Mögliche behauptet – die hätten jeden ins Gefängnis gesteckt. Deshalb konnte ich leider nicht so deutlich werden, wie ich es mir heute wünsche. Das wär einfach nicht schlau gewesen.«
Er sagte das, als wäre es um eine schlichte geschäftliche Entscheidung gegangen. Dann rülpste er leise. Ich spielte mit dem Gedanken, ihm den Blechtopf ins Gesicht zu schlagen.
»Na ja, jetzt kannst du aber darüber sprechen. Kannst deutlich werden. Was ist damals passiert, Runner? Erzähl es mir. Ben sitzt seit Jahrzehnten im Gefängnis, also wenn du was weißt, dann sag es mir jetzt.«
»Was, und dann wandre ich auch ins Gefängnis?« Er stieß ein empörtes Grunzen aus, setzte sich auf sein Strandtuch und putzte sich mit einer Ecke die Nase. »Es ist ja wirklich nicht so, dass dein Bruder ein Unschuldslamm gewesen wäre. Er hat sich mit Hexerei abgegeben, mit Teufelszeug. Wenn du mit dem Teufel rumhängst, färbt das früher oder später auf dich ab … das hätte ich wissen müssen, als ich ihn mit Trey Teepano gesehen habe, diesem verfickten … Arschloch.«
Trey Teepano. Der Name tauchte immer wieder auf, führte aber nirgendwohin.
»Was hat dieser Trey Teepano denn gemacht?«
Runner begann zu grinsen, und ein kaputter Zahn schielte über seine Unterlippe. »Himmel, die Leute haben ja keine Ahnung, was in der Nacht los war. Zum Schieflachen, aber echt.«
»Es ist nicht zum Schieflachen. Meine Mom ist tot, mein Bruder sitzt im Gefängnis. Deine Kinder sind tot, Runner.«
Er legte den Kopf schief und starrte zum Mond hinauf, der schwanger aussah.
»Du bist nicht tot«, sagte er schließlich.
»Michelle und Debby sind tot. Patty ist tot.«
»Aber warum lebst du noch, fragst du dich das nicht manchmal?« Er spuckte einen Blutklumpen aus. »Ist doch komisch.«
»Was hat Trey Teepano damit zu tun?«, wiederholte ich.
»Krieg ich ein bisschen Geld zur Belohnung, wenn ich rede?«
»Was hast du getan, Runner?«
»Wo ist das ganze Geld gelandet? Bei mir jedenfalls nicht.«
»Welches Geld denn? Wir hatten kein Geld.«
»Deine Mom hatte Geld. Deine Superschlampe von einer Mutter hatte Geld, glaub mir.«
Jetzt war er wieder aufgestanden und musterte mich böse, seine übergroßen Pupillen verdunkelten die Iris, so dass das Blau wirkte wie eine Sonneneruption. Wieder legte er den Kopf schief, zuckend, wie ein Tier, als wollte er mir zeigen, dass er mich nicht verletzen wollte, was mir das Gefühl gab, dass er es genau darauf abgesehen hatte.
»Wo ist das ganze Geld von Pattys Lebensversicherung geblieben, Libby? Da hast du noch ein Rätsel, über das du nachdenken kannst. Denn ich hab es nicht, darauf kannst du Gift nehmen.«
»Keiner hat das Geld, Runner, es ist alles für Bens Verteidigung draufgegangen.«
Inzwischen hatte sich Runner direkt vor mir aufgebaut, wie früher, als ich klein war und er mir Angst einzujagen versuchte. Er war nicht groß, überragte mich aber trotzdem um gut fünfzehn Zentimeter, und ich spürte seinen Atem, einen warmen, blechernen Bieratem.
»Was ist damals passiert, Runner?«
»Deine Mom hat Geld immer für sich behalten, wenn sie mal welches hatte, sie hat mir nie geholfen, nie, dabei hab ich Jahre meines Lebens in die Farm gesteckt, viele Jahre, und nie einen Dollar dafür gesehen. Na ja, so was rächt sich irgendwann. Und deine verdammte Mom hat sich das alles selbst zuzuschreiben. Wenn sie mir Geld gegeben hätte …«
»Hast du sie an dem Tag um Geld gebeten?«
»Mein ganzes Leben hab ich irgendwelchen Leuten Geld geschuldet«, sagte er. »Mein ganzes Leben, nie bin ich auf einen grünen Zweig gekommen, ich hatte immer Schulden. Hast du Geld, Libby? Ja, zur Hölle, du hast Geld, stimmt’s, du hast dieses Buch geschrieben. Also bist du auch gar nicht so unschuldig. Gib mir was von deinem Geld, Libby. Gib deinem alten Vater ein bisschen Kohle ab. Dann kauf ich mir auf dem Schwarzmarkt ’ne neue Leber und sag alles, was du willst, unter Eid. Alles, was mein Baby sich wünscht.« Er stupste mich mit zwei Fingern in die Rippen, und ich wich langsam zurück.
»Wenn du in der Nacht damals in irgendeiner Weise mitgemacht hast, Runner, dann wird das früher oder später ans Licht
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