Dark Swan - Mead, R: Dark Swan
hatte wenig Lust, meine Begegnung mit Kiyo ausführlicher darzustellen.
Ich holte tief Luft. „Und dann ist da noch was.“
„Ich weiß. Du willst nach der Kleinen suchen.“
So viel zu meiner dramatischen Ankündigung. „Woher weißt du das?“
„Ich kenne dich eben, Eugenie. Du bist leichtsinnig und dickköpfig und hast einen naiven Sinn für Gerechtigkeit. Genau wie ich.“ Keine Ahnung, ob das ein Kompliment sein sollte.
„Dann verstehst du es.“
Er schüttelte den Kopf. „Es ist ja trotzdem gefährlich. Und dumm noch dazu. Man geht in seinem eigenen Körper rüber, un d … “
„Und was?“
Wir sahen beide hoch wie Kinder, die etwas ausgefressen hatten. Meine Mutter stand in der Tür. Sie trug einen Hut mit breiter Krempe und erdverschmierte Handschuhe, sichtbare Beweise ihrer Gartenarbeit. Ich hatte in der Steinwüste, die als mein Garten durchging, ein paar Topfpflanzen stehen, aber meine Mutter werkelte endlos an einer wahren Oase. Sie starrte uns an. Die langen, leicht angegrauten Haare flossen ihr den Rücken hinab. Sie war nicht rothaarig, und ihre Augen waren einfach nur blau, nicht veilchenblau, aber abgesehen davon fanden alle, dass ich sehr nach ihr kam. Ich fragte mich, ob ich in ihrem Alter auch so gut aussehen würde. Ich hoffte es. Wobei ich das Grau sicher wegfärben würde.
„Was hast du vor, Eugenie?“, fragte sie ruhig.
„Nichts, Mom. Ist rein hypothetisch.“
„Ihr redet darüber, dorthin zu gehen. Ich weiß, was das heißt.“
„Mom“, sagte ich.
„Liebling“, sagte Roland.
Sie hob eine Hand. „Hört auf. Ich will nichts darüber hören. Weißt du eigentlich, wie sehr ich schon in dieser Welt Angst um dich habe, Eugenie? Und jetzt willst du auch noch mitten zwischen diese Wesen spazieren? Und du“, sie wandte sich an Roland, mit blitzenden Augen, „zwanzig Jahre lang hab ich Angst um dich gehabt. Hab ich wach gelegen und mich gefragt, ob das jetzt die Nacht sein würde, in der du nicht mehr nach Hause kommst. Ich habe Gott gedankt, als du dich in den Ruhestand zurückgezogen hast, und jetzt ermutigst du si e … “
„Hey, Moment mal, er tut gar nichts dergleichen. Lass ihn aus dem Spiel, wenn du auf jemanden losgehen willst. Ich will rüber. Er hat nichts damit zu tun.“
Roland sah mich an. „Eugenie, wenn du schon unbedingt rübergehen musst, dann sollte ich vielleicht lieber mitkomme n … “
„Mom hat recht. Deine aktive Zeit ist vorbei. Das hier ist mein Kampf.“
„Deiner ist es auch nicht!“, fuhr meine Mutter mich an. „Warum kannst du dich nicht einfach bloß um die kümmern, die hier eindringen? Warum musst du sie auch noch verfolgen?“
Ich sagte es ihr. Sie machte ein stolzes und unbeirrbares Gesicht, aber ihre Augen verrieten sie. Die Schwere der Situation berührte sie, auch wenn sie diese Tatsache noch überspielte.
„Du bist genau wie er. Zu gut für diese Welt.“ Auf einmal sah sie älter aus, als sie war. „Bestimmt kompensierst du damit mangelnde Aufmerksamkeit in deiner Kindheit.“ Schwupp, kam die Therapeutin wieder durch.
„Mom, sie ist gerade mal vierzeh n – äh, fünfzehn. Wenn sie ein Mädchen hier aus der Nachbarschaft wäre, hättest du keine Sekunde lang was dagegen, dass ich sie zurückhole.“
„Aber dann müsstest du wenigstens Verstärkung mitnehmen. Und nicht alleine losziehen.“
„Ich habe niemanden zur Verstärkung.“
„Außer mich natürlich“, warf Roland ein.
„Nein“, sagten meine Mutter und ich im Chor.
Sie drehte sich wieder zu mir um und zückte die tödlichste Waffe, die die Menschheit kennt: die Mom-Karte. „Du bist mein einziges Kind. Meine kleine Tochter. Wenn dir etwas zustöß t … “
Darauf war ich vorbereitet. „Jasmine ist auch jemandes kleine Tochter, bloß dass ihre Mutter schon tot ist. Was es eigentlich sogar noch schlimmer macht. Sie hat ihre Eltern verloren. Ist ganz allein. Und dann wird sie von so einem Dreckskerl entführt, der es okay findet, irgendwelche Mädchen zu verschleppen, damit er sie in Ruhe vergewaltigen kann.“
Meine Mutter reagierte, als hätte ich sie ins Gesicht geschlagen. Sie sah Roland an. Die beiden wechselten einen dieser langen Blicke, die Paare draufhaben, die schon seit einer Ewigkeit zusammen sind. Ich weiß nicht, was sie einander mitteilten, aber am Ende sah meine Mutter ins Leere.
„Wenn du si e … zurückgeholt hast, bring sie zu mir. Es spielt keine Rolle, ob es ei n … Feiner oder ein Mensch war. Sie wird genau dieselbe
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