Dark Swan - Mead, R: Dark Swan

weiterüben zu können. »Das ist nur eine Frage der Zeit. Damit komme ich locker alleine klar.«
    »Einmal noch, hat mein Herr gesagt …« Ihre verächtliche Miene wich der Unsicherheit. »Da ist noch etwas … eine Sache … an die Ihr nicht auch nur ansatzweise herangekommen seid.«
    »Ich habe Sturmmagie geerbt. Wasser und Luft. Was soll es da noch geben?«
    »Folgt mir, und ich zeige es Euch … wenn Ihr damit zurechtkommt.« Da war sie wieder, ihre alte Feindseligkeit. Es hatte beinahe etwas Vertrautes.
    Sie ging mit mir zurück in den Hof, wo wir letzte Nacht gewesen waren. Ein Diener, den ich schon mal im Schloss gesehen hatte, verlegte gewissenhaft weitere Fliesen und vergrößerte den Terrassenbereich. Wir standen ein gutes Stück von ihm entfernt, und Ysabel verschränkte immer noch die Arme vor der Brust; ihre Haltung war weiterhin zugleich steif und abwehrend.
    »Ich werde heilfroh sein, wenn das vorbei ist und ich ins Eichenland zurückkehren kann. Ich fehle meinem Herrn eindeutig.« Ihre Augen glitzerten boshaft. »Er hat mich gestern Nacht mit einer Leidenschaft geliebt, wie ich sie noch nie erlebt habe. Ich konnte nur noch schreien und mich wälzen vor Lust.«
    Ich verdrehte die Augen und konnte mir gerade noch verkneifen zu sagen: Klar doch, weil er dabei an mich gedacht hat. »Bringen wir es einfach hinter uns, dann kannst du gehen und so viel schreien und dich wälzen, wie du möchtest. Was also muss ich noch wissen?«
    »Es gibt da noch etwas anderes in der Luft.« Sie biss sich nachdenklich auf die Lippen, schien nach Worten zu suchen. »Ich kann es spüren, aber ich kann es nicht berühren. Ihr wahrscheinlich auch nicht.«
    »Kannst du dich nicht ein bisschen genauer ausdrücken?«
    »Es ist immer da … als hätten diese Bestandteile der Luft Stacheln … sie fühlen sich scharf an. Vor einem Unwetter gibt es mehr davon.«
    Ich starrte sie einen Moment lang begriffsstutzig an, dann hatte mein Menschenverstand die Sache sortiert. »Blitze … du sprichst davon, Blitze zu machen«, hauchte ich. Wie lautete der wissenschaftliche Begriff noch gleich? »Das sind geladene Teilchen.«
    Der Begriff sagte ihr nichts, aber bei meiner Erwähnung von Blitzen hatte sie genickt. Auf einmal war ich Feuer und Flamme und griff sofort mit meinem Geist aus. Sämtliche Moleküle der Luft zu erspüren fiel mir inzwischen leicht. Die einzigen beiden, die ich benennen konnte, waren Sauerstoff und Kohlendioxid. Die anderen konnte ich zwar voneinander unterscheiden, aber ich wusste nicht, ob es Stickstoff war oder Wasserstoff oder sonst was. Nachdem ich ein paar Minuten um mich getastet hatte, schüttelte ich den Kopf.
    »Ich spüre nichts dergleichen.«
    Das schien Ysabel zu freuen. »Wie ich gesagt habe, Ihr seid wahrscheinlich nicht stark genug.«
    »Es ist ein klarer Tag«, stellte ich fest. »Es gibt wahrscheinlich gar nicht genug.«
    »Nein, sie sind immer da. Es sind heute nicht viele, aber ich kann sie spüren.«
    Ich kniff die Lippen zusammen und versuchte es erneut. Es war genauso wie damals mit Dorian: endloses Warten, nur dass er mich dazu noch gefesselt hatte. Was Ysabel sicher auch bereitwillig getan hätte, und sei es nur, um mir die Kehle durchzuschneiden.
    Luft, Luft, Luft. Jedes Teilchen einzigartig, und doch fühlte sich keines scharf und stachelig an, wie sie beschrieben hatte. Ich dachte vage an das einzige Mal zurück, als ich einen Sturm heraufbeschworen hatte. Ich war von einem Feinen in Elementargestalt angegriffen worden, der mich zu vergewaltigen drohte, während meine Mutter verletzt am Boden lag. In meiner wahnsinnigen Verzweiflung und Panik hatte ich einen Sturm herbeigerufen, der fast mein Haus dem Erdboden gleichgemacht hätte. Aber ich konnte mich kaum daran erinnern, wie ich das gemacht hatte. Die Erinnerung war verschwommen, beinahe wie ein Traum, der …
    Auf einmal richteten sich die Härchen an meinen Armen auf. Da. Dort war etwas, mitten zwischen den anderen Teilchen der Luft über uns – etwas, na ja, Elektrisches. Es fühlte sich stachelig an, genau wie Ysabel gesagt hatte. Ich griff danach, versuchte, es zu kontrollieren wie die anderen Teilchen, aber es war schlüpfrig. Wie Öl, das mir durch die Finger glitt, und ich begriff jetzt, warum Ysabel es nicht hinbekam. Es war ein völlig anderes Phänomen. Ich wappnete mich, versuchte es erneut und zog die Teilchen einen Herzschlag lang zu einem Knäuel zusammen. Ozongeruch erfüllte die Luft, und dann ließ mein Griff nach.