Dark Thrill - Zwei Romane in einem Band: Sommergeheimnisse/Idylle (German Edition)
vorhatte, gänzlich zu versagen. Das einzige, das er noch hören konnte, war der Regen. Sein verschwommenes Blickfeld verwässerte immer mehr, die Ränder schmolzen wie Eis dahin und ließen nichts als Schwärze zurück. Das eingeschränkte Bild zeigte ihm gerade noch seine Frau und beide Kinder, die eine rote Rose und anschließend eine Handvoll Erde in das Grab schmissen.
Dann war Manfred an der Reihe. Er kam gar nicht dazu, nach der Schaufel zu greifen, sondern erstarrte inmitten der Bewegung, als er den Namen auf dem Grabstein las. Seinen Namen. Verwirrung und gleichzeitige Gewissheit machten sich in seinem Kopf breit. Es ergab plötzlich alles einen Sinn. Die verwaschenen Sinneseindrücke, seine geisterhafte U nsichtbarkeit, das Gefühl, fehl in diesem Leben zu sein. Er war...
Alles wurde schwarz, bevor goldene Strahlen Manfred überfluteten. Er spürte eine gewichtslose Berührung an seiner Schulter und fragte sich, ob Melanie dasselbe verspürt hatte, als er sie in der Kirche berührt hatte.
Manfred drehte sich um, sah den Mann in Schwarz an. Alle Ängste und Sorgen wichen von ihm.
»Es wird Zeit zu gehen«, sagte der Tod und führte Manfred mit sanftem Druck in die gleißende Helligkeit.
Ende
Allein
Die Blondine kauerte sich in der Ecke zusammen, die Knie mit den Armen umschlungen und fest an den Oberkörper g epresst. Ihr eigentlich hübsches Gesicht war zu einer starren Maske der Furcht verzerrt, Tränen liefen ihr in Sturzbächen die bleichen Wangen hinab. In ihren weit aufgerissenen Augen spiegelte sich blankes Entsetzen. Über ihre Lippen kam kein Laut außer einem zittrigen Wimmern und Schluchzen. Die langen Haare hingen ihr in verschwitzten, dreckverschmierten Strähnen ins Gesicht, kitzelten sie an Kinn und Nasenspitze. Unter normalen Umständen hätte sie sie sich hinter die Ohren geschoben, damit sie nicht mehr störten. Doch an solche Belanglosigkeiten verschwendete sie keinen Gedanken, sie hatte wichtigere Dinge im Kopf. Zum Beispiel, zu überleben.
Unter dem Türspalt am gegenüberliegenden Ende des Zimmers huschten verräterische Schatten durch den schm alen Lichtstreifen.
Er hatte sie gefunden!
Er würde sie töten! Einzig deswegen war er hier.
Panikerfüllt blickte sie sich nach einer Fluchtmöglic hkeit um. Keine weitere Tür, keine Fenster, nicht einmal ein schmaler Lüftungsschacht, durch den sie sich quetschen konnte.
Ihr keuchender Atem verwandelte sich in ein Hecheln.
Vielleicht konnte sie sich irgendwo verstecken! Nein, keine Chance. In dem Raum gab es nichts, das sie hätte verbergen können.
Ein grässliches Geräusch ließ die Blondine zusammenz ucken. Es hörte sich an wie das Todesgekreische eines Rehkitzes, dem der Fleischer die Kehle durchschneidet. Erst als der Killer die Türklinke ganz herunter gedrückt hatte, erstarb es, und sie begriff, dass sie geschrieen hatte. Millimeter für Millimeter schob er die Tür auf, wobei die Angeln protestierend knarrten.
Das Herz schlug dem Mädchen bis zum Hals, bockte wie ein wilder Stier. Ihr Körper war in Schweiß gebadet, glän zte schmierig wie Öl auf der Haut. Die Angst trieb ihn aus den Poren. Aus der Nase troff ihr dünnflüssiger Rotz, der sich mit den Tränen in ihrem Gesicht mischte. Ihr Mund hingegen war staubtrocken, so dass jeder Schluckversuch höllisch brannte. Doch sie wusste, das war erst der Anfang der Qualen, die ihr noch bevor standen. Noch stand sie auf der untersten Sprosse der Schmerzleiter, aber so sicher wie das Amen in der Kirche, würde sie eine nach der anderen erklimmen.
Die Tür öffnete sich.
Eine dunkle Silhouette zeichnete sich gegen das gleißende Rechteck aus Licht im Türrahmen ab. Mordlüsterne Augen glitzerten in den tiefen Schatten ihres Gesichts.
»Habe ich mein kleines Mädchen also gefunden?«, sagte die Gestalt, während sie mit schleifenden Schritten auf die Blondine zukam.
»Bitte nicht. Bitte tun Sie mir nicht weh.« Ihre Stimme war ein einziges Winseln, zwischen jedem Wort musste sie schluchzen.
»Aber genau deswegen bin ich doch gekommen.« Nur noch wenige Schritte, dann ha tte er sie erreicht. »Um dir weh zu tun.«
»NEIN! Lassen Sie mich gehen! BITTE!« Ihre Atmung ging nun stoßweise, und sie hatte das Gefühl zu hypervent ilieren.
Unaufhaltsam näherte sich ihr der Killer. Er war bereits so nahe, dass sein Schatten über sie fiel, sie einhüllte wie die Schwingen eines Todesengels. Seine Hand glitt unter den Mantel, verharrte kurz und kam
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