Darkover 10 - Die zerbrochene Kette
Tiere sich vor dem Anstieg zum nächsten Paß ausruhen und genoß das erste frisch gekochte Essen, seit sie Thendara verlassen hatte.
Die Kinder waren neugierig wie die Katzen. Sie fragten, woher sie komme, und als sie antwortete: »Aus Thendara«, staunten sie sie an, als habe sie »vom Ende der Welt« gesagt. Nun ja, für diese Kinder, die nie aus ihren Bergen herauskamen, war Thendara das Ende der Welt. Sie erkundigten sich nach dem Zweck ihrer Reise. Magda lächelte und sagte, das sei ein Geheimnis ihrer Auftraggeber. Lady Rohana hatte ihr die Erlaubnis gegeben, ihren Namen zu verwenden. »Ich werde dir auch einen Geleitbrief mit meinem Siegel geben«, hatte sie gesagt. »Dort im Vorgebirge gibt es viele Leute, die Gabriel und mir verpflichtet sind.« Sie hatte ihr geraten, einen Kontakt mit echten Amazonen tunlichst zu vermeiden, doch wenn ein Zufall sie zusammenführe, werde man sie nach ihrem Gildenhaus und dem Namen der Frau, die ihr den Eid abgenommen habe, fragen. »In dem Fall nennst du Kindra n’ha Mhari; sie ist seit drei Jahren tot…« Ein Ausdruck der Trauer huschte über Rohanas Gesicht. »Sie war meine liebe Freundin, und ich glaube nicht, daß sie es uns übelnehmen würde. Aber wenn die Götter gnädig sind, kommst du nach Sain Scarp und hoffentlich auch wieder zurück, ohne ihren Namen benutzen zu müssen.«
Magda war fertig mit Essen und tränkte ihre Tiere am Dorftrog, als zwei Männer auf den Platz ritten. Nach dem Schnitt ihrer Mäntel stammten sie aus den fernen Hellers; sie trugen Bärte und hatten bösartig aussehende Messer im Gürtel stecken. Die Blicke, mit denen sie Magda und, wie sie meinte, ihre vollen Satteltaschen betrachteten, bereiteten ihr Unbehagen. Sie brach das Tränken ab, stieg hastig in den Sattel und machte sich auf den Weg aus der Stadt. Hoffentlich hielten die Männer ausgiebig Rast und sie sah sie nie wieder.
Lange Zeit führte der Weg aufwärts zwischen dichtbewaldeten Hängen dahin. Eis und Schnee schmolzen in der Mittagssonne, und der Boden wurde matschig. Magda ließ ihr Pferd den Weg allein finden, und wenn der Pfad zu steil wurde, stieg sie ab und führte es. An einer Biegung, wo der Baumbestand in schwindelerregender Höhe lichter wurde, hielt sie an und sah auf die dünne Linie des Wegs weit unten zurück. Zu ihrem Schrecken erkannte sie zwei Männer, die genauso aussahen wie die auf dem Marktplatz. Folgten sie ihr?
Sei nicht paranoid. Dies ist die einzige Straße nach Nordwesten in die Hellers. Bin ich die einzige, die ihr Weg dorthin führt? Sie trat an den Rand, wobei sie achtgab, nicht auf dem mit Schneematsch bedeckten Fels auszurutschen, und sah sich die beiden Männer genauer an. Konnte sie überhaupt sicher sein, daß es dieselben waren? Ja, denn der eine ritt einen Rotschimmel, und Rotschimmel waren in keiner Gegend häufig. Zwei an einem Tag in den Bergen zu sehen war äußerst unwahrscheinlich. Wie um ihren letzten Zweifel zu vertreiben, richtete der eine den Blick nach oben, sah offenbar Magdas Silhouette am Klippenrand, beugte sich zu seinem Gefährten und sprach drängend auf ihn ein. Sie zogen die Zügel an und lenkten an die Felswand, wo sie von oben nicht sichtbar waren.
Das Gefühl der Angst, das Magda packte, war körperlich wie ein Krampf in den Beinmuskeln. Sie eilte zu ihrem Pferd zurück und befahl sich streng, Ruhe zu bewahren. Ich bin bewaffnet. Ich bin seit meinem sechzehnten Lebensjahr, als ich mich entschloß, dem Nachrichtendienst beizutreten, im Kampf trainiert . Auf jeder anderen Welt, das war ihr klar, wäre es für eine Agentin selbstverständlich gewesen, daß sie der Begegnung mit den beiden Männern gleichmütig entgegensah. Hier auf Darkover war sie von den herrschenden Bräuchen behütet worden.
Wenn es zu einem Kampf kam - Magda legte kurz die Hand auf ihr Messer, um sich Mut zu machen -, war es besser, sie hatte den Paß schon erreicht. Dort konnte sie sich leichter verteidigen als auf dem Hang. Aber mußte es zu einem Kampf kommen? Terranische Agenten lernten, einer solchen Konfrontation wenn möglich auszuweichen. Und sie wollte wetten, daß nicht einmal die Freien Amazonen herumliefen und nach Messerstechereien haschten.
Plötzlich wurde ihr bewußt, daß sie sich einfach nicht dazu zwingen konnte, sich den Männern zu stellen. Sie befahl sich, zu bleiben und es durchzudenken, aber noch während sie versuchte, ihre Gedanken zu ordnen, führte sie ihr Pferd schon den Hang hinunter,
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