Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
aus, als würde sie mit ihrem toten Bruder streiten und dabei den Kürzeren ziehen.
»Wie konntest du nur, Regis? Wie konntest du?«, murmelte sie schließlich, als die leuchtende Energie weiterzog.
Donal ließ seinen Herrn los und trat einen Schritt zurück, während Mikhail darauf wartete, dass er an die Reihe kam. Er war zu müde, um sich zu fürchten. Er konnte die Erfahrung später nie vollständig beschreiben, aber er fühlte, wie ihn eine große, schützende Liebe umfing, während er gleichzeitig unbarmherzig geprüft wurde. Es war, als wären die letzten Jahre nie gewesen, nichts von der Angst und dem Misstrauen, das Regis genau wie Mikhail bedrückt hatte, keine Vorwürfe und Nörgeleien. Aller Schmerz der Vergangenheit war ausgelöscht, als hätte er nie existiert.
Mikhail nahm die Reaktionen der übrigen Mitglieder des Comyn kaum mehr wahr, als die Wolke ihre Reise beendete. Er sah nur, dass Danilo Syrtis-Ardais lächelte und Dani Hastur und Miralys beide weinten. Zuletzt raffte er sich so weit auf, den Kopf zu drehen, als Marguerida an der Reihe war. Ihre Augen glänzten vor nicht vergossenen Tränen, aber ihr Gesicht war so heiter, wie er es nur je gesehen hatte.
Die Wolke kehrte zur Mitte des Tisches zurück, und Mikhail beobachtete, wie sich das Licht wiederum zu verändern begann. Es faltete sich zusammen, bis nur noch ein Funke über dem polierten Holz schwebte. Dann sauste es zurück in den Ring, und die Kälte, die Mikhail zuvor gespürt hatte, breitete sich für einen kurzen Moment wieder aus, bevor sie verschwand. Mikhail ging der Gedanke durch den Kopf, wie traurig es war, dass Lady Linnea dieses letzte Lebewohl nicht miterleben durfte.
Er merkte, dass Dani ihn ansah, und begriff, dass der junge Mann nun, da die Dämpfer zerstört waren, sein Bedauern für Lady Linnea aufgefangen haben musste. Tatsächlich konnte er jetzt die Oberflächengedanken der Anwesenden hören; die geistige Stille, die er vom Kristallsaal gewöhnt war, existierte nicht mehr. Dann, als die anderen es offenbar auch erkannt hatten, fühlte er erleichtert, wie ringsum die persönlichen Schutzschilde hochgeklappt wurden.
In stillschweigendem Einverständnis fingen alle gleichzeitig zu reden an; sie würden ihr Laran vorläufig nicht einsetzen. Mikhail unternahm keinen Versuch, sie am Parlieren zu hindern. Er war zu sehr damit beschäftigt, alles zu sortieren, was in seinem Gedächtnis haften geblieben war. Da war nicht nur Regis’ Liebe und sein Glaube an ihn gewesen, sondern eine gewaltige Eruption an Gedanken, Gefühlen und Kenntnissen, und ihm schwirrte noch immer der Kopf davon. Er griff zu dem Apfelwein, den ihm Donal zuvor eingeschenkt hatte, und leerte den Kelch mit drei kühlen Schlucken.
Er wusste nun, weshalb Regis so jung gestorben war: Als er während der Sharra-Rebellion Aldones’ Schwert geschwungen hatte, hatte er einen Preis bezahlt, der sein Leben verkürzte; dieselbe Kraft, die das Haar eines jungen Mannes weiß werden ließ, hatte ihm Jahrzehnte seiner Zeit auf dieser Welt gestohlen. Mikhail hätte am liebsten geweint vor Erleichterung, weil er wirklich nicht mehr für Regis hatte tun können, aber er hielt sich zurück. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Tragweite all dessen, was Regis sonst noch zu ihm gesagt hatte, vor allem, dass er den Rat der Comyn sofort und ohne weiteres Zögern von dem Mordkomplott gegen seine Person unterrichten musste.
Mikhail sah zu Lew und las an dessen ernster Miene, dass ihm Regis zum Teil dieselben Dinge erzählt hatte. Er blickte rund um den Tisch, und langsam ebbte das Geplapper ab; alle Augen waren auf ihn gerichtet. Regis hatte Recht. Länger zu warten, würde ihn als schwach erscheinen lassen. Er musste nun das Kommando übernehmen, egal wie ihm zu Mute war.
Hoffentlich fand er die richtigen Worte, damit alle ihre unwichtigen persönlichen Belange vergaßen und zusammenarbeiteten.
Dann sah er zu den zertrümmerten Resten der Matrixfallen an der Decke empor und lachte laut. Es würde jetzt sehr schwer werden, etwas geheim zu halten, und er wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder es bedauern sollte. Sein plötzlicher Heiterkeitsausbruch irritierte verschiedene Leute am Tisch, aber er hatte keine Lust, ihn zu unterdrucken.
Schließlich gewann er seine Selbstbeherrschung zurück.
»Wir haben schon viel zu viel Zeit damit vergeudet, Entscheidungen zu diskutieren, die vor Jahren getroffen wurden. Schluss damit ! Man plant einen Mordanschlag auf
Weitere Kostenlose Bücher