Darkover 25 - Der Sohn des Verraeters
hatte.
»Meine Schuld? Wie bist du denn zu dieser bemerkenswerten Schlussfolgerung gelangt?« »Wenn du nicht gesagt hättest, ich sei langweilig und würde dir nie Sorgen machen, hätte ich vielleicht nicht beschlossen, auf eigene Faust loszuziehen.« Belustigt folgte Marguerida dieser bestechenden Argumentation. Sie war so erleichtert, Domenic wohlauf an ihrer Seite zu haben, dass sie fast allem zugestimmt hätte. »Dann muss ich ja wohl noch froh sein, dass du nicht versucht hast, Burg Comyn auf den Dachzinnen zu umrunden.« Domenic lachte. »Das hätte ich vielleicht versucht, aber ich bin nicht schwindelfrei.« Dann stieß er sich ein wenig von ihr weg und schien wegen etwas nervös zu sein. Marguerida entdeckte ein schmuddelig aussehendes Mädchen, das verlegen hinter ihm stand. »Ich möchte dir meine Freundin Illona Rider vorstellen, Mutter. Sie hat ihr ganzes Leben beim Fahrenden Volk verbracht und kann dir alles über die Leute erzählen.« Sein Tonfall war eine Mischung aus Stolz und Vorsicht.
Marguerida wusste im ersten Moment nicht recht, was sie davon halten sollte. Dann streckte sie die rechte Hand aus.
»Hallo. Ich bin Marguerida Alton-Hastur, und ich freue mich, eine Freundin meines Sohnes kennen zu lernen.« Das Mädchen sah die dargebotene Hand einen Moment lang an, als hätte es eine Schlange vor sich, bevor es sie behutsam ergriff und kurz schüttelte. Die Kleine wirkte unterernährt und wenig anziehend auf Marguerida. Ihr drahtiges Haar stand wild in alle Richtungen ab, weil es sich aus der hölzernen Spange in dem dürren Nacken gelöst hatte, und die grünen Augen waren zu groß für das schmale Gesicht. Ihr Mantel roch nach Asche und Rauch, und die Kleidung darunter schien für eine größere Person gemacht worden zu sein. Das Mädchen betrachtete Marguerida halb ängstlich und halb trotzig, bevor es den Blick zu den versengten Steinen senkte.
»Ich weiß längst nicht so viel, wie Domenic glaubt«, murmelte Illona heiser und scharrte mit den Füßen.
»Egal, was du auch weißt, es interessiert mich. Ich bin bereits neugierig auf das Fahrende Volk, seit ich vor sechzehn Jahren zum ersten Mal ihre Wagen sah. Mein Freund Erald hat mir zwar das eine oder andere erzählt, aber er ist zu sehr von seiner Musik besessen, als dass er auf Einzelheiten achten würde.« Wer war dieses Mädchen? Der kurze körperliche Kontakt hatte Marguerida verblüfft, weil sie deutlich das Vorhandensein von Laran gespürt hatte. Und warum trug die Kleine Domenics Mantel, während er an diesem kalten Tag in Hemdsärmeln und seinem Übergewand dastand?
»Meint Ihr Erald, den Balladensänger? Er war im Sommer vor drei Jahren mit uns unterwegs, und ich bin überhaupt nicht schlau aus ihm geworden.« Illona war sofort etwas weniger befangen. »Er hat kaum was gegessen und schien nie zu schlafen, sondern hat die ganze Zeit nur wie ein Verrückter auf seinem Instrument herumgezupft.« »Ja, das ist er«, antwortete Marguerida, froh, dass sie ein gemeinsames Thema mit der neuen Freundin ihres Sohnes gefunden hatte.
Jemand trat hinter Marguerida, und sie erkannte den vertrauten telepathischen Abdruck von Dyan Ardais. Er stellte sich neben sie und musterte Domenic. »Dein Abenteuer scheint dir ja ganz gut bekommen zu sein.« Er lächelte den jungen Mann freundlich an, dann bemerkte er dessen Begleiterin. Marguerida registrierte, wie er überrascht die Augen aufriss.
Erinnert sie Euch an jemanden, Dom Dyan?
Da soll mich doch … wer ist sie, Domenic?
Das Mädchen neben mir heißt Illona Rider, aber meiner Ansicht nach könntet Ihr seine Mutter gekannt haben. Domenics mentale Stimme klang streng.
Dyan trat von einem Fuß auf den anderen und starrte das Mädchen an, das wild zurückstarrte. Marguerida fragte sich, ob es das wortlose Gespräch mithörte, aber dem Gesichtsausdruck nach tat es das nicht, und zwar durchaus absichtlich.
Illona verhinderte bewusst ein Mithören, indem sie sich auf die Rabbithorns in einem nahen Gehege konzentrierte. Was um alles in der Welt hatte Domenic vor? I ch habe einmal eine Frau mit solchen Haaren gekannt …
Dann nehme ich an, Illona ist Eure Tochter, Dom Dyan. Domenics Worte klangen vorwurfsvoll, und Dyan wurde vor Verlegenheit rot. Das Fahrende Volk hat sie als Neugeborene in den Ruinen eines Dorfes gefunden, das von Banditen überfallen wurde, und vor dem Tod gerettet. Das war im Gebiet von Ardais, und sie scheint die Alton-Gabe zu haben, wenn auch unausgebildet, soweit ich erkennen kann,
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