Darling
soll die Forensik klären.“
„Wer hat sie gefunden?“
Gerold Hahn zeigte auf einen circa sechzig Jahre alten Spaziergänger mit Hut, der gerade von einer jungen Polizistin zu seinen Personalien befragt wurde. Zu den Füßen des Mannes saß diszipliniert ein hübscher brauner Jagdhund.
„Der Hund ist hier durchs Gebüsch gestromert und hat die Leiche gefunden.“ Edith nickte.
„Können wir die Tote sehen?“
„Klar.“
Gerold Hahn drehte sich um. Niedergetretenes Gestrüpp markierte den Weg zur Fundstelle. Trotz strömenden Regens klickte die Kamera des Polizeifotografen unablässig.
Vorsichtig streifte sich der Chef der Spurensicherung Plastikhandschuhe über und drehte die Leiche um.
Edith schaute aufmerksam an der Toten herab. Schwarze Bluse, schwarzer Minirock und rote Stiefeletten. Wirr hingen die nassen, blonden Haare verschlungen um Schultern und Gesicht.
„Was ist das?“
Edith deutete auf zwei gerötete Druckstellen am Hals und den Handgelenken.
Gerold Hahn zuckte mit den Achseln.
„Keine Ahnung. Sind definitiv keine Schürfspuren aus der Schleuse. Und Würgemale sehen anders aus“, stellte er fachmännisch fest. Dann schaute er fragend zu den beiden Kommissaren.
„Ohne Mantel ist sie für einen so kalten, verregneten Novembertag schlicht zu dünn angezogen, oder?“, stellte Edith lakonisch fest.
Gerold nickte.
„Sieht nicht wirklich nach einem geplanten Spaziergang am Main aus.“
Edith hustete. Dann drehte sie sich zu ihrem Kollegen um.
„Stefan, kümmere dich bitte um die Zeugenaussage. Und besorgt mir ein brauchbares Foto von der Toten. Ich fahre zurück, sonst liege ich morgen für den Rest der Woche wieder flach.“
18
Vorsichtig öffnete Adrian die Augen. Irgendwie fehlte ihm für einen Augenblick die Orientierung. Dann sickerte die vergangene Nacht hart und heftig in sein Bewusstsein zurück. Enzo hatte ihm heute Morgen nach der Schicht spontan angeboten, in seiner Wohnung zu übernachten. Was außer dem Streit mit Annika davor geschehen war, darüber hatte Adrian allerdings geschwiegen.
Er sah auf seine Uhr. Es war kurz vor elf. Um vier begann seine nächste Taxischicht.
Ruckartig zog er den schweren Vorhang vom Fenster zurück. Helles Tageslicht flutete von der Sonnemannstraße ins wilde Durcheinander von Enzos Wohnzimmer. Wuchtig lag die alte Großmarkthalle auf der anderen Straßenseite, geschützt durch einen mannshohen Metallzaun. Geblendet zog Adrian sich ins Halbdunkel zurück.
Er angelte sich seine halbleere Zigarettenschachtel aus der Lederjacke. Nach dem ersten tiefen Zug an der Marlboro klarte das Nikotin das Durcheinander in seinem Kopf auf. Er griff nach seiner Jeans, die er im Morgengrauen auf den abgewetzten Dielenboden hatte fallen lassen, und suchte gedankenverloren nach seinem Motorola. Doch dann fiel ihm ein, dass er das Telefon vergangene Nacht im Niederräder Klärwerk verloren hatte. Wahrscheinlich war es in den schmutzig braunen Fluten der Sickerwassergräben für immer versunken.
Für einen Moment fühlte Adrian sich hilflos. Er grübelte. Wie sollte er ohne Handy die Telefongesellschaft über den Verlust des Geräts informieren?
„Na, ausgeschlafen?“
Enzo rieb sich verschlafen die Augen und fuhr mit seinen Händen lässig durch seine verwuschelte Lockenpracht. Adrian nickte.
„Ich mach’ uns mal zwei Espresso“, verkündete der DeutschItaliener fröhlich und tapste pfeifend in die Küche.
Es dauerte weniger als eine Minute, bis der Geruch von frisch gebrühtem Kaffee durch die heruntergekommene Altbauwohnung in der Sonnemannstraße zog.
„Fang!“
Enzo warf ihm ein völlig zerkratztes Nokia zu, doch Adrian reagierte viel zu phlegmatisch. Mit einem Knall schlitterte das Handy über die abgewetzten Dielen und stoppte erst am Übertopf eines völlig verstaubten Gummibaums.
„Spinnst du!“, herrschte Adrian seinen Freund an. Enzo lachte.
„Komm mal vom Ast und relax, mein Guter. Das ist das Prepaid meiner letzten Flamme.“ Feixend fuhr er fort: „Ich statte die Mädels immer mit einem Gratis-Handy aus. Dann können sie mich kostenlos anrufen. Auf dem Ding ist sicher noch ein Guthaben von 20 Euro.“ Enzo grinste immer noch bis über beide Ohren. „Die Letzte war leider nicht sonderlich kommunikativ, Compadre.“
Adrian überlegte, ob er seinem Freund die Geschichte der vergangenen Nacht anvertrauen sollte. Nachdenklich drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus.
„Kann ich ins Bad? Ich muss dann weg, Taxischicht“,
Weitere Kostenlose Bücher