Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das 1. Buch Des Blutes - 1

Das 1. Buch Des Blutes - 1

Titel: Das 1. Buch Des Blutes - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
Vom Netzwerk:
mir.
    Mein Gott, dachte sie, Koos hat mich betrogen.
    Vassi war vor der Tür gewesen, mit ihrem Bewußtsein hatte sie sein Fleisch gespürt, und sie hatte es umarmt. Aber Koos hatte ihn, trotz ihrer ausdrücklichen Anordnungen, nicht hereingelassen. Unter allen Männern sollte nur Vassi freier Zugang gestattet sein, Koos wußte das. Aber er hatte sie betrogen, so wie sie alle betrogen hatten, nur Vassi nicht. Bei ihm war es (vielleicht) Liebe gewesen.
    Die Nacht durch lag sie auf dem Bett und tat kein Auge zu. Selten schlief sie jetzt länger als fünf Minuten und dann nur unter Überwachung von Koos. Sie hatte sich im Schlaf verletzt, sich selbst unwis-sentlich verstümmelt. Blutend und schreiend war sie aufgewacht: Alle Glieder trieben Nadelsprossen hervor, die sie wie ein Kaktus aus Fleisch aus ihrer eigenen Haut und Muskelschicht gebildet hatte.
    Es war wieder dunkel, mutmaßte sie, aber mit Bestimmtheit ließ sich das kaum sagen. In diesem mit dichten Vorhängen abgeschotteten, von einer nackten Glühbirne erhellten Raum war es ständig Tag für die Sinne, ständig Nacht für die Seele. So lag sie denn, mit wund gescheuerten Stellen an Rücken und Gesäß, und hörte den fernen Straßengeräuschen zu, döste manchmal eine Weile, aß Koos manchmal aus der Hand, wurde gewaschen, wurde ihre Notdurft los, wurde benutzt.
    Ein Schlüssel drehte sich im Schloß. Mühsam krampfte sie sich hoch von der Matratze, um zu sehen, wer es war. Langsam ging die Tür auf… ging weiter auf… stand offen.
    Vassi. O Gott, endlich war es Vassi, sie sah ihn durchs Zimmer auf sich zukommen.
    Laß es nicht wieder nur eine Erinnerung sein, betete sie, bitte, mach, daß er es diesmal selber ist: wirklich und wahrhaftig.
    »Jacqueline.«
    Er sprach den Namen ihres Fleisches aus, den ganzen Namen.
    »Jacqueline.« Er war es.
    Hinter ihm starrte Koos ihr zwischen die Beine, fasziniert vom Tanz ihrer Schamlippen.
    »Da bring’ ich ihn dir«, grinste er sie an, ohne von ihrem Geschlecht wegzusehen.
    »Einen Tag«, flüsterte sie. »Einen Tag hab’ ich gewartet, Koos. Du hast mich warten lassen -«
    »Was ist für dich schon ein Tag?« sagte er und grinste noch immer.
    Sie brauchte den Luden nicht mehr, was dieser freilich nicht wußte. In seiner Ahnungslosigkeit dachte er, Vassi wäre nur wieder einer, den sie nach der bewährten Art gnadenlos verführt hatte; um aufgezehrt und abgelegt zu werden wie die ändern. Koos war der Meinung, man brauchte ihn morgen noch. Deshalb spielte er dieses tödliche Spiel so stümperhaft.
    »Schließ die Tür ab«, schlug sie ihm vor. »Bleib, wenn du magst«
    »Hier?« sagte er und stierte lüstern. »Du meinst, ich kann zuschaun?«
    Er schaute in jedem Fall zu. Sie wußte, daß er durch das Loch zuschaute, das er in die Tür gebohrt hatte; hie und da konnte sie ihn keuchen hören. Aber diesmal sollte er ruhig auf ewig bleiben.
    Bedächtig zog er den außen steckenden Schlüssel aus der Tür, machte sie zu, schob ihn von innen ins Schloß und sperrte ab. Gerade als das Schloß einrastete, und noch ehe er sich umdrehen konnte, um sie wieder anzusehen, tötete sie ihn. Nichts Spektakuläres an der Hinrichtung; sie griff nur in seine Hühnerbrust und zerquetschte ihm die Lunge. Er plumpste gegen die Tür und glitt zu Boden, schmierte dabei sein Gesicht übers Holz.
    Vassi wandte nicht einmal den Kopf, um ihn sterben zu sehen. Das einzige, was er jemals wieder anschauen wollte, war sie.
    Er trat an die Matratze heran, ging in die Hocke und begann, ihr die Fußgelenke loszubinden. Die Haut war aufgeschürft, der Strick von altem Blutgrind überzogen. Systematisch arbeitete er an den Knoten, fand eine Ruhe wieder, die er verloren geglaubt hatte, eine schlichte Zufriedenheit, hier zu sein am Ende, außerstande zur Umkehr, wohl wissend, daß das, was ihm noch bevorstand, tief in ihr beschlossen lag.
    Als ihre Knöchel frei waren, nahm er die Handgelenke in Angriff. Er versperrte ihr die Sicht auf die Decke, während er sich über sie beugte.
    Seine Stimme war sanft.
    »Warum hast du ihn das mit dir machen lassen?«
    »Ich hatte Angst.«
    »Wovor?«
    »Mich zu rühren; ja vorm bloßen Weiterleben. Tag für Tag die Hölle.«
    »Ja.« Nur zu gut verstand er diese totale Unfähigkeit zu existieren.
    Sie spürte ihn an ihrer Seite, wie er sich auszog, dann einen Kuß auf die fahle Bauchhaut des Körpers setzte, den sie bewohnte. Er war von ihrem Wirken gezeichnet. Die Haut war über die Toleranzgrenze hinaus gedehnt

Weitere Kostenlose Bücher