Das 1. Buch Des Blutes - 1
niedergedrückt von einem kochenden Himmel, das Gefühl der Verlassenheit drehte ihm fast den Magen um.
Er rannte weiter. Nach einer Viertelstunde etwa sah er die Prozession allmählich deutlicher, obwohl ihre Führer völlig außer Sichtweite waren. Er kam zu der Überzeugung, daß es sich um irgendeine Art Karnevalsaufzug handelte, so absolut ungewöhnlich das hier draußen auch schien, in dieser gottverlassensten aller Gegenden. Nichtsdestoweniger waren die letzten Tänzer in der Parade zweifelsohne kostümiert. Kopfputz trugen sie und Masken, die unter Geschwank und Gewackel die menschliche Größe beträchtlich überragten - grellfarbige Federn flatterten, und Bänder wehten, sich entrollend, kräuselnd hinter ihnen in der Luft. Was auch der Grund für die Feier sein mochte, jedenfalls torkelten sie wie Säufer, schritten elastisch aus im einen Augenblick, hüpften im nächsten, wanden sich, in einigen Fällen, am Boden, die Bäuche am heißen Sand.
Davidsons ausgepumpte Lungen waren am Zerreißen, und es war klar, daß er die Verfolgung aufgeben mußte. Anfangs war er der Prozession nähergekommen, aber jetzt rückte sie in einem Tempo ab, mit dem Schritt zu halten er weder die Stärke noch die Willenskraft besaß.
Er blieb stehen, stützte die Arme auf die Knie, um seinen schmerzenden Rumpf zu entlasten, und schaute unter schweißgedunsener Stirn seiner entschwindenden Rettung nach. Dann, unter Aufbietung aller verfügbaren Energie, gellte er:
»Halt!«
Zuerst erfolgte keine Reaktion. Dann war ihm, als sähe er durch seine Augenschlitze, wie ein oder zwei der Festkumpane stehenblieben. Er richtete sich auf. Ja, ein oder zwei sahen zu ihm her. Ihre Augen waren auf ihn gerichtet; das spürte er mehr, als daß er es sah.
Er begann auf sie zuzugehen.
Einige der Instrumente waren verstummt, als ob die Nachricht von seiner Gegenwart sich unter ihnen verbreitete. Sie hatten ihn eindeutig gesehen, ohne jeden Zweifel.
Erging weiter, schneller jetzt, und allmählich wurden die Einzelheiten der Prozession aus dem flimmernden Dunst heraus klar erkennbar.
Seine Gangart verlangsamte sich etwas. Sein Herz, das schon vor Anstrengung hämmerte, dröhnte dumpf in seiner Brust.
…Du lieber Heiland, sagte er, und zum ersten Mal in seinen sechsunddreißig gottlosen Jahren waren die Worte ein echtes Gebet.
Er stand zirka achthundert Meter von ihnen entfernt, aber an dem, was er sah, gab es nichts zu deuteln. Seine schmerzenden Augen konnten sehr wohl Pappmache von Fleisch, bloßen Schein von unförmiger Wirklichkeit unterscheiden.
Die Geschöpfe am Ende der Prozession, die Armseligsten unter den Armseligen, die parasitären Kletten, waren Monster, deren Erscheinung die Schreckgespenster des Wahnsinns in den Schatten stellte.
Eins davon war vielleicht gute fünf oder sechs Meter groß. Seine Haut, die ihm in Falten auf den Muskeln hing, war ein Futteral aus Stacheln, sein Kopf ein Kegel aus entblößten, in scharlachrotes Zahnfleisch eingebetteten Zähnen. Ein anderes war dreiflüglig, sein zu drei Schwanzspitzen auslaufender Schweif peitschte den Sand in reptilischer Begeisterung. Ein drittes und viertes waren miteinander zu einer Einheit monströser Scheußlichkeiten vermählt, deren Endresul-tat abscheulicher war als die Summe ihrer Teile. Der Länge und Breite nach war dieser symbiotische Horror in einer beide durchdringenden Hochzeit zusammengeschweißt: die Wunden im Fleisch des Partners jeweils über die Glieder des andren gestülpt und von ihnen durchstoßen. Obwohl die Zungen seiner Köpfe ineinandergeschlungen waren, brachte es ein kakophonisches Geheul zustande.
Davidson trat einen Schritt zurück und sah sich flüchtig nach dem Wagen und dem Highway um. Im selben Moment fing eins der Wesen, ein schwarz-rotes, wie eine Pfeife zu schrillen an. Selbst bei achthundert Meter Entfernung bohrte sich der Lärm in Davidsons Kopf. Er schaute wieder zur Prozession hinüber.
Das pfeifende Monster hatte seinen Platz in der Parade verlassen, und seine klauenbewehrten Füße zerstampften die Wüste, während es auf ihn zuzupreschen begann. Davidson wurde von unkontrollierbarer Panik gebeutelt, und er spürte, wie seine Hosen sich füllten, als die Eingeweide ihn im Stich ließen.
Das Wesen raste mit der Geschwindigkeit eines Geparden auf ihn zu, wuchs dabei mit jeder Sekunde, so daß er nach jedem Schritt mehr Einzelheiten seiner außerweltlich fremden Anatomie erkennen konnte. Die daumenlosen Hände mit ihren
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