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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Schöne.« Er war vor einem Mosaik stehengeblieben, der Darstellung einer unbestimmbaren mythologischen Szene - spielende Fische, Nymphen und Meeresgötter. Er grunzte beifällig, umschrieb die kurvige Linienführung des Bildes mit dem nassen Ende seiner Zigarre. »Solch handwerkliches Können sieht man heutzutage nicht mehr«, kommentierte er.
    Jerry hielt es für nichts Besonderes, sagte aber: »Ja, wirklich exzellent.«
    »Zeigen Sie mir das übrige.«
    Das Gebäude hatte einst, außer seinen zwei Schwimmbecken, eine Unmenge Einrichtungen aufzuweisen -
    Saunaräume, Dampfbäder, Thermalbäder. Diese verschiedenen Bereiche waren durch ein Gewirr schmaler Passagen verbunden, die, im Unterschied zum Hauptkorridor, kein Oberlicht hatten; Taschenlampenschein mußte hier genügen.
    Dunkel oder nicht, Garvey wollte sämtliche öffentlichen Einrichtungen sehen. Sein warnend angekündigtes Limit von zehn Minuten dehnte sich auf zwanzig und dreißig aus, wobei die Erkundung immer wieder zum Stehen gebracht wurde, sobald er irgendeine neue, unbedingt zu kommentierende Augenweide entdeckte. Jerry hörte mit vorgetäuschtem Verständnis zu; es irritierte ihn, wie der Mann sich fürs Dekor begeisterte.
    »Ich würd’ jetzt gern die Schwimmbecken sehen«, verkündete Garvey, nachdem sie eine gründliche Untersuchung der Nebenanlagen vorgenommen hatten. Gehorsam ging Jerry durch das Labyrinth zu den zwei Schwimmbecken voran. In einem kleinen Korridor, nicht weit von den Dampfbädern, sagte Garvey: »Still!«
    Jerry machte halt. »Wie?« »Ich hab’ ‘ne Stimme gehört.«
    Jerry horchte. Der Strahl der Taschenlampe, von den Kacheln diffus zurückgeworfen, umgab die zwei Männer mit einer fahlen Lumineszenz, die das Blut aus Garveys Gesichtszügen tilgte.
    »Also, ich hör’…«
    » Still, sag’ ich«, schnauzte Garvey. Langsam bewegte er den Kopf hin und her. Jerry konnte nichts hören. Und Garvey jetzt ebensowenig. Er zuckte mit den Achseln und sog an seiner Zigarre. Sie war ausgegangen, erstickt von der feuchten Luft, »‘ne akustische Täuschung«, sagte Jerry. »Das Echo in diesen Korridoren spielt verrückt. Manchmal hört man, wie einem die eigenen Schritte wieder entgegenkommen.«
    Garvey brummte wieder. Das Brummen schien sein meist geschätzter Redebestandteil zu sein. »Ich hab’ aber etwas gehört«, sagte er, offenkundig von Jerrys Erklärung nicht überzeugt. Er horchte nochmals. In den Gängen war es mucksmäuschenstill. Es war nicht einmal möglich, den Verkehr auf der Leopold Road zu hören. Endlich schien Garvey zufrieden.
    »Gehn Sie weiter voran«, sagte er. Genau das tat Jerry auch, obwohl er sich über den Weg zu den Schwimmbecken keineswegs im klaren war. Mehrmals nahmen sie die falsche Abzweigung und tasteten sich in Schlangenlinien durch einen Irrgarten gleichförmiger Korridore voran, ehe sie ihr gewünschtes Ziel erreichten.
    »Es ist warm«, sagte Garvey, als sie endlich vor dem kleineren der beiden Schwimmbäder standen.
    Jerry murmelte zustimmend. In seinem Eifer, zu den Becken zu gelangen, hatte er die ständig steigende Temperatur nicht bemerkt. Aber jetzt, da er regungslos dastand, konnte er den Schweißfilm auf seinem Körper spüren. Die Luft war dampfig, und sie roch nicht nach Feuchtigkeit und Schimmel wie sonst in diesem Gebäude, sondern war von einem süßlicheren, fast üppigen Duft durchtränkt. Hoffentlich roch Garvey, eingesponnen in den Rauch seiner neu angezündeten Zigarre, nicht gleichfalls diese Ausdünstung; sie war alles andere als angenehm.
    »Die Heizung ist an«, sagte Garvey.
    »Ja, sieht ganz so aus«, erwiderte Jerry, obwohl ihm schleierhaft war, weshalb. Vielleicht temperierten die Leute vom Bauamt das Heizungssystem von Zeit zu Zeit durch, um es funktionstüchtig zu halten. Falls das stimmte, befanden sie sich dann irgendwo tief drin im Gebäude? Vielleicht hatte Garvey doch Stimmen gehört? Er legte sich eine Erklärungs-strategie zurecht für den Fall, daß sich ihre Wege kreuzen sollten.
    »Die Schwimmbecken«, sagte er und zog eine der Doppeltüren auf. Das Oberlicht war hier sogar noch schmutziger als das im Hauptkorridor; äußerst wenig Licht erhellte den Schauplatz. Garvey ließ sich jedoch nicht entmutigen. Er schritt durch die Tür und hinüber zum Beckenrand. Es gab wenig zu sehen; die Oberflächen waren hier von mehrjährigem Schimmelbewuchs überzogen. Auf dem Beckenboden, kaum erkennbar unter den Algen, war ein Dekor in die Kacheln eingearbeitet. Ein

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