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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Prioritätenliste momentan nicht obenan stand. Aber egal; für Sauberkeit war immer noch Zeit.
    »Ich warte draußen«, sagte Guillemot.
    »Das ist beruhigend«, antwortete sie, sandte ihm einen Blick zu, den er mit Sicherheit als vielversprechend interpretieren würde, und schloß die Tür. Dann drehte sie die Dusche auf, so heiß es ging, bis Dampf den Raum einzunebeln begann, und ließ sich auf Hände und Knie nieder, um den Boden einzuseifen. Als die Sicht im Bad genügend verschleiert und der Boden genügend glitschig war, rief sie nach Guillemot. Er reagierte so schnell, daß sie sich geschmeichelt gefühlt hätte, wäre sie nicht zu sehr damit beschäftigt gewesen, hinter ihn zu treten, während er im Dampf herumtastete, und ihm einen heftigen Stoß zu versetzen. Er glitt auf dem Boden aus, wankte in Richtung Dusche und jaulte auf, als ihm kochend heißes Wasser auf die Kopfhaut spritzte. Sein Selbstladegewehr rasselte auf den Boden, und bis er sich endlich zurechtfand, hatte sie es schon in der Hand und richtete es auf seinen Rumpf, eine beachtliche Zielscheibe. Sie war zwar kein Scharfschütze, und ihre Hände zitterten, aber selbst eine Blinde hätte aus solcher Reichweite nicht danebentreffen können; das wußte sie, und Guillemot ebenfalls. Er hob die Hände hoch.
    »Nicht schießen.«
    »Wenn Sie die kleinste Bewegung machen…«
    »Bitte… nicht schießen.«
    »Jetzt… bringen Sie mich zu Mr. Gomm und den anderen.
    Schnell und leise.«
    »Weshalb?«
    »Sie bringen mich hin, basta«, sagte sie und gab ihm mit einer Bewegung des Gewehrs zu verstehen, daß er aus dem Bad hinaus vorangehen solle. »Und wenn Sie irgendwelche Tricks probieren, schieß’ ich Ihnen in den Rücken«, sagte sie.
    »Ich weiß, daß das nicht sehr mannhaft ist, aber ich bin ja auch kein Mann. Ich bin bloß eine unberechenbare Frau. Also gehn Sie schön vorsichtig mit mir um.«
    »…ja.«
    Unterwürfig gehorchte er, führte sie aus dem Gebäude und durch eine Reihe Passagen, über die sie - zumindest ihrer Meinung nach - Richtung Glockenturm und zu dem darum gruppierten Komplex gelangen mußten. Die ganze Zeit über hatte sie angenommen, daß das Kernstück der Festung eine Kapelle sei. Ihr Irrtum hätte nicht größer sein können. Die äußere Schale mochte aus einem Ziegeldach und getünchten Mauern bestehen, aber das war nichts als eine Fassade; sie traten über die Schwelle in ein Betonlabyrinth, das eher an einen Bunker als an eine Kultstätte erinnerte. Kurz kam ihr der Gedanke, daß es sich hier womöglich um einen atombombensicheren Bau handle, ein Eindruck, der durch die Tatsache verstärkt wurde, daß die Gänge alle nach unten führten. Wenn dies eine Anstalt war, dann mußte sie ihrer Tektonik nach ein paar ganz besondere Irre beherbergen.
    »Was ist das hier?« fragte sie Guillemot.
    »Wir nennen es das Boudoir«, sagte er. »Hier spielt sich
    alles ab.«
    Gegenwärtig spielte sich wenig ab; die meisten der vom Gang wegführenden Büros lagen in Dunkelheit. In einem der Räume rechnete sich ein Computer unbeaufsichtigt seine Chancen für selbständiges Denken aus; in einem anderen schrieb sich eine Telexmaschine selber Liebesbriefe.
    Ungehindert stiegen sie ins Innerste des Baus hinab, bis sie, um eine Ecke biegend, sich einer Frau gegenübersahen, die auf Händen und Knien das Linoleum schrubbte. Das Zusammentreffen erschreckte beide Parteien, und Guillemot war flink genug, die Initiative zu ergreifen. Er stieß Vanessa seitwärts gegen die Wand und nahm Reißaus. Ehe sie Gelegenheit hatte, ihn zu Gesicht zu bekommen, war er verschwunden.
    Sie fluchte auf sich selber. Nur Augenblicke würde es dauern, bis Alarmglocken zu läuten begännen und die Wachposten gelaufen kämen. Sie war verloren, wenn sie blieb, wo sie war. Die drei Ausgänge auf diesem Flur sahen, einer wie der andere, nicht vielversprechend aus, also steuerte sie einfach auf den nächstgelegenen los und ließ die ihr nachstarrende Putzfrau hinter sich zurück. Der Weg, den sie einschlug, erwies sich wiederum als abenteuerlich. Er führte durch eine Reihe Zimmer, von denen eines mit Dutzenden von Uhren vollgehängt war, die alle eine unterschiedliche Zeit anzeigten; das nächste enthielt mehr als fünfzig schwarze Telefone; das dritte und größte war an allen Wänden mit Fernsehbildschirmen, die sich, einer über dem anderen, vom Boden bis zur Decke erstreckten. Bis auf einen waren alle ausgeschaltet. Die Ausnahme der Regel zeigte - wie Vanessa

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