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Das 5. Buch des Blutes - 5

Das 5. Buch des Blutes - 5

Titel: Das 5. Buch des Blutes - 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Barker
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Mehrere Sekunden gespannten Horchens vergingen, ehe Cleve erkannte, daß Billy-Boy seine Gebete sprach.
    Cleve träumte in dieser Nacht. Wovon, war ihm am Morgen nicht mehr erinnerlich, obgleich ihm beim Duschen und Rasieren kleine Partikel des Traums irritierend durch den Kopf huschten. Kaum zehn Minuten vergingen an diesem Morgen, ohne daß etwas - umgestürztes Salz auf dem Frühstückstisch oder das Geräusch von lauten Stimmen im Übungshof - ankündigte, seinen Traum zu knacken: aber die Enthüllung kam nicht. Daher war er auf für ihn untypische Weise bissig und aufbrausend. Als Wesley, ein unbedeutender Fälscher, den er von seinem vorherigen Urlaub hier kannte, in der Bibliothek zu ihm trat und zu reden anfing, wie wenn sie Busenfreunde wären, sagte Cleve dem Knilch, er solle die Klappe halten. Aber Wesley sprach beharrlich weiter.
    »Du kriegst Schwierigkeiten.«
    »Ach. Wie das?«
    »Der Junge von dir, Billy.«
    »Was ist mit ihm?«
    »Er stellt Fragen. Er wird aufdringlich. Die Leute mögen das nicht. Sie sagen, du sollst ihn lieber an die Kandare nehmen.«
    »Ich bin nicht sein Aufpasser.«
    Wesley verzog das Gesicht. »Ich sag’s dir nur; als Freund.«
    »Verschone mich.«
    »Sei nicht blöd, Cleveland. Du machst dir Feinde.«
    »Ach?« sagte Cleve. »Nenn mir einen.«
    »Lowell«, sagte Wesley blitzschnell. »Dann nimm Nayler.
    Die unterschiedlichsten Typen. Ihnen paßt nicht, wie Tait ist.«
    »Und wie isser?« schnauzte Cleve zurück.
    Wesley gab ein kleines protestierendes Grunzen von sich.
    »Das will ich dir ja gerade sagen. Er ist hinterlistig. Wie eine bekackte Ratte. Es wird Schwierigkeiten geben.«
    »Verschon mich mit Prophezeiungen.«
    Das Mittelwertgesetz verlangt, daß der schlechteste Prophet zu irgendwelchen Zeitpunkten richtig liegt. Anscheinend war das Wesleys große Stunde. Tags darauf sah sich Cleve, der aus der Werkstatt zurückkam, wo er seinen Intellekt beim Aufstecken von Rädern auf Plastikautos trainiert hatte, plötzlich Mayflower gegenüber, der vor dem Zellenflur auf ihn wartete.
    »Ich hab’ Sie gebeten, sich um William Tait zu kümmern, Smith«, sagte der Officer. »Ist Ihnen das völlig schnuppe?«
    »Was ist passiert?«
    »Ja, wahrscheinlich ist es das.«
    »Ich hab’ gefragt, was passiert ist, Sir.«
    »Nicht viel. Bis jetzt noch nicht. Er hat Staub aufgewirbelt, das ist alles. Lowell ist scharf auf ihn, hab’ ich recht?«
    Mayflower sah Cleve eindringlich an, und als er keine Antwort bekam, fuhr er fort: »Ich hab’ mich in Ihnen getäuscht, Smith.
    Hab’ geglaubt, daß hinter dem harten Mann irgendwas steckt, an das es sich zu appellieren lohnt. Mein Fehler.«
    Billy lag auf dem Bett, das Gesicht grün und blau geschlagen, die Augen geschlossen. Er öffnete sie nicht, als Cleve hereinkam.
    »Bist du okay?«
    »Klar«, sagte der Junge leise.
    »Keine Knochen gebrochen?«
    »Ich werd’s überleben.«
    »Du mußt lernen…«
    » Hör zu. « Billy öffnete die Augen. Die Pupillen hatten sich irgendwie verdunkelt, oder es war eine vom Licht herrührende Täuschung. »Ich bin am Leben, okay? Ich bin kein Idiot, weißt du. Ich hab’ gewußt, worauf ich mich einlasse, wenn ich hier-herkomme. « Er sprach, als hätte er bei der Angelegenheit eine Wahl gehabt. »Mit Lowell werd’ ich fertig«, fuhr er fort, »also mach dir keine Sorgen.« Er hielt inne, sagte dann: »Du hattest recht.«
    »Womit?«
    »Daß man keine Freunde hat. Ich bin auf mich gestellt und du auf dich. Stimmt’s? Ich lerne nur langsam; aber ich komm’
    dahinter.« Er lächelte vor sich hin.
    »Du hast Fragen gestellt«, sagte Cleve.
    »Ach ja?« antwortete Billy ganz beiläufig. »Wer sagt das?«
    »Wenn du Fragen hast, frag mich. Die mögen hier keine Schnüffler. Sie werden argwöhnisch. Und dann drehn sie dir den Rücken zu, wenn Lowell und seinesgleichen ernst machen.«
    Der Name rief bei Billy ein schmerzhaftes Stirnrunzeln hervor. Er berührte seine verunstaltete Wange. »Er ist tot«, murmelte der Junge, als ob er zu sich selber spräche.
    »Hätt’st wohl gern«, spöttelte Cleve.
    Der Blick, den Tait ihm zuwarf, hätte Stahl durchschneiden können. »Ich mein’ es«, sagte er, ohne die Spur eines Zweifels in seiner Stimme. »Lowell kommt hier nicht lebend raus.«
    Cleve äußerte sich nicht dazu; der Junge brauchte seine Tapferkeitsshow, so lachhaft sie auch war. »Was möchtest du’n herausbekommen bei der Herumschnüffelei?«
    »Nicht viel«, antwortete Billy. Er sah Cleve nicht mehr

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