DAS 5. OPFER
Regal hinter ihnen war gesäumt von hölzernen Enten-Attrappen und Bowling-Trophäen.
Reggie gefiel die Art, wie die Reihen von Enten sie beobachteten, wie sie es jedes Mal taten, wenn sie zu George kam, um Rat zu suchen oder Hilfe bei den Hausaufgaben. Ihre Mutter war nicht gerade die Art von Mutter, die bei den Hausaufgaben half, und wann immer sie Lorraine fragte, sagte ihre Tante ihr, sie solle in die Bibliothek gehen und die Dinge selbst nachschlagen. Also saß sie an Georges Küchentisch, wann immer sie eine besonders knifflige Aufgabe zu lösen hatte oder ein Test anstand, bei dem sie sicher war, dass sie durchfallen würde. Er hatte eine Art, die Dinge in winzige Teile zu zerlegen, die selbst die schwersten Aufgaben überschaubar erscheinen ließ.
»Willst du eine Cola?«
Reggie nickte.
»Ich war unten gerade dabei, ein Projekt zu beenden«, sagte er und reichte ihr eine Dose aus dem Kühlschrank. »Willst du es sehen?« Seine Augen leuchteten, so wie sie es taten, wenn er intensiv an einer seiner Attrappen arbeitete.
»Sicher.« Sie folgte George die gestrichenen Stufen hinab in den Keller. Neonbeleuchtungskörper hingen an Ketten von der Decke, beleuchteten Georges Werkstatt. Er hatte eine Tischsäge, eine Stichsäge, eine Bohrmaschine und eine riesige Werkbank mit verschiedenen Klammern und Schraubzwingen daran. Die Wand aus gelochter Hartfaserplatte hinter der Werkbank war ordentlich mit Werkzeugen behängt; der Platz jedes Werkzeugs war sorgfältig mit gelber Farbe abgegrenzt.
Reggie liebte Georges Werkstatt. Sie liebte die Ordentlichkeit, die Reihen von Werkzeugen, den Gedanken, dass man einfach einem Muster und Plänen folgen konnte und am Ende eine Ente oder eine Kommode dabei herauskam. »Es gibt für jede Aufgabe das richtige Werkzeug«, sagte George oft, wenn er sie bat, ihm Dinge zu reichen: einen 3/16-Zoll-Schraubenschlüssel, einen Kreuzschlitzschraubenzieher Nr. 2, einen Satz 1,32-Zoll-Nägel.
»Das ist die Neueste«, sagte George und hielt eine beinahe fertiggestellte Schnitzarbeit in Form einer Ente hoch. Seine Meißel und Stemmeisen lagen daneben aufgereiht. »Eine weibliche Stockente. Alle machen immer nur die männlichen Enten, weil sie so auffällig sind, mit ihren grünen Köpfen, aber ich dachte, eine weibliche Ente wäre nett. Sie kann den Männchen, die ich oben habe, Gesellschaft leisten.« Er zwinkerte Reggie zu.
»Sie ist großartig«, sagte Reggie und meinte es ernst. Sie dachte, dass es erstaunlich war, dass George einen einfachen Holzklotz nehmen konnte und eine Ente darin fand.
»Was ist das?«, sagte Reggie und blickte auf einen Satz Pläne auf der Bank.
»Eine Überraschung für Lorraine. Ich dachte, ich mache ihr einen Schrank für all ihre Angelruten. Du sagst ihr nichts, oder?«
»Natürlich nicht«, sagte Reggie, die ihre Augen immer noch auf dem Plan hatte und versuchte zu verstehen, auf welchen Teil sie blickte.
»Weiß deine Mutter, wo du bist?«, fragte George.
Reggie schüttelte den Kopf.
»Vielleicht sollten wir sie anrufen.«
»Sie ist nicht zu Hause. Das ist irgendwie auch der Grund, warum ich hier bin.«
George stellte die Ente wieder auf die Werkbank und warf Reggie einen fragenden Blick zu.
»Sie ist nicht zurückgekommen, seit sie mit diesem Typen von der Bowlingbahn weggefahren ist.«
George fuhr mit der Hand durch sein Haar. »Das ist nicht gerade ungewöhnlich, oder? Ich meine, du kennst deine Mutter und die Männer …«
»Nein«, gab Reggie zu und unterbrach ihn. »Es ist nicht ungewöhnlich. Aber etwas macht mir zu schaffen. Der Mann in dem weißen Hemd, der, mit dem sie weggefahren ist, hatte ein braunes Auto. Ich habe gesehen, wie sie darin vom Parkplatz gefahren sind.«
»Und?«
»Und die Kellnerin, die verschwunden ist, Candace Jacques, wurde auch von einem Kerl in einem braunen Auto abgeholt.«
George lächelte sanft. »Also bist du um zehn Uhr abends mit deinem Rad hierhergefahren, um mir zu sagen, dass du denkst, dass deine Mutter entführt worden sein könnte?«
»Irgendwie schon.« Sie blickte auf die Getränkedose in ihrer Hand. Das war genau die Art von Situation, in der sie auf George angewiesen war. Die Art, in der sie einen normalen Erwachsenen brauchte, der normale, erwachsene Dinge tat und sagte.
»Reg«, sagte George und ließ sich vor ihr nieder, damit sie ihm in die Augen sehen konnte. »Nun, es ist wahr, dass ich nicht gesehen habe, wie deine Mutter mit dem Mann von der Bowlingbahn wegfuhr, aber ich bin mehr
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