Das 500 Millionen Komplott (German Edition)
draußen abspielte, weshalb sie das Hotel nicht verlassen sollten, war Svetlana schleierhaft. Sie verschwendete keinen Gedanken darüber, weshalb sie auf das Dach flüchten sollten. Sie entschied sich, Kaspar zu vertrauen. Er hatte ihr schon oft geholfen, sodass sie keinen Grund sah, er könne ihr diesmal eine Falle stellen. Ihr einziges Problem war, dass sie den Weg auf das Dach nicht kannte. Natürlich gab es irgendwo eine Luke, aber wo befand sichdiese? Es gab nur eine Person, die diese Frage mit Sicherheit beantworten konnte: der Hoteldirektor. Aber diesen einfach zu fragen, verbot sich von selbst.
Draußen spitzte sich die Lage zu. Schritt für Schritt rückten die Demonstranten näher. Die vordersten konnten bereits die Augenfarbe der Polizisten erkennen, die ihnen mit versteinerter Miene gegenüberstanden. Den Demonstranten war es nahezu unmöglich einzuschätzen, was in den nächsten Minuten passieren könnte. Die Polizisten vermieden sogar Blickkontakte, um sich nicht provozieren zu lassen. Dabei waren sie äußerst konzentriert. Jede Sekunde konnte von der Einsatzleitung der Befehl kommen zu handeln. Hieße dieser, von der Schusswaffe Gebrauch zu machen, wären ein Blutbad und Panik nicht mehr zu vermeiden. Jeder hoffte auf die Vernunft beider Seiten, um ein solches Drama abzuwenden.
Grabowski stand immer noch am Fenster im ersten Obergeschoss. Die Hoteldame gesellte sich zu ihm.
»Was meinen Sie? Wie entwickelt sich das da unten? Müssen wir Angst um unser Leben haben?«
»Ganz sicher nicht«, versuchte Grabowski sie zu beruhigen. Wirklich einschätzen konnte er die Lage allerdings nicht. Eine Kurzschlussreaktion genügte, um die Katastrophe auszulösen.
»Die werden es nicht wagen, die Demonstration gewaltsam aufzulösen. Es wäre ein Skandal und die Öffentlichkeit würde unangenehme Fragen stellen«, fuhr Grabowski fort. Allerdings zweifelte er an seinen eigenen Worten. Die Hoteldame fühlte sich jedoch beruhigt und das war erst einmal das Wichtigste. Auf keinen Fall durfte unter dem Personal Panik ausbrechen. Grabowski stellte sich dasHorrorszenario vor, alle Servicekräfte würden wild schreiend aus dem Hotel rennen und die Eurogendfor dadurch gewissermaßen zwischen die Fronten geraten. Sie würden unweigerlich das Feuer eröffnen, da sie sich angegriffen fühlen könnten.
»Gehen Sie lieber und beruhigen Sie das Personal«, sagte Grabowski.
»Das ist wohl besser«, befand sie und ließ Grabowski am Fenster alleine zurück. Für sich selber hielt er es für angebrachter, seinen Beobachtungsposten vorerst nicht zu verlassen. Schließlich ging er immer noch davon aus, es handele sich bei den Demonstranten um die Weiße Rose. Angestrengt versuchte er, in den vordersten Reihen Svetlana, Torge oder einen der anderen ausfindig zu machen. Bei diesem Tumult war dies jedoch ein nahezu hoffnungsloses Unterfangen. Die Sprechchöre wurden deutlich lauter.
Im Hintergrund näherte sich ein Fahrzeug eines regionalen Fernsehsenders. Das Team gehörte zu einer Nachrichtenredaktion, die im Vorabendprogramm über Ereignisse in der Hansestadt berichtete. Als Grabowski sie bemerkte, luden sie bereits ihre Fernsehkamera aus und brachten sie in Position.
»Die haben mir gerade noch gefehlt«, sagte er leise zu sich selbst. Drohte die Bilderberger-Konferenz aufzufliegen? Zweifellos wäre es die Meldung des Tages, erst recht, wenn die Fernsehreporter wüssten, wer sich alles im Konferenzsaal befand und von dem Spektakel vor dem Hotel nichts mitbekam.
Paradoxerweise wurde im Saal gerade darüber konferiert, wie mit Personen umzugehen sei,
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