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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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Frankreich ist«, antwortete Nathan, »aber in den meisten Ländern, in denen ich gelebt habe, kannst du was erleben, wenn du einen Polizisten umgehauen hast. Du hättest ja nicht unbedingt so hirnlos zuschlagen müssen.«
    Shaé warf ihm einen verächtlichen Blick zu.
    »Armer Typ«, sagte sie in eisigem Ton.
    Bevor Nathan etwas erwidern konnte, hörten sie, wie jemand in unmittelbarer Nähe laute Befehle brüllte. Von links tauchten Polizisten auf, viel mehr, als sie erwartet hatten. Sie wurden von Soldaten in Tarnanzügen begleitet, und alle waren schwer bewaffnet. Die beiden Flie-henden krochen ins Gebüsch und zogen sich von da aus tiefer in das Hügelland zurück.

    ***

    Im weiteren Verlauf der Hetzjagd waren sie mehrfach kurz davor geschnappt zu werden, obwohl sie sich bereits in Sicherheit gewähnt hatten. Immer wieder mussten sie sich aufraffen und dabei ihre Müdigkeit und Verzweiflung ignorieren. Dreimal versuchten sie, sich einem Dorf 106

    zu nähern, dreimal drängten die Ordnungskräfte sie wieder zurück in die Hügel. Erschöpft, hungrig und halb verdurstet ruhten sie sich am späten Nachmittag unter einem riesigen Wacholderbaum ein wenig aus.
    »Polizisten, Soldaten, ist das nicht ein bisschen übertrieben?«, fragte Shaé, als sie wieder Luft bekam.
    »Wie meinst du das?«
    »Soweit ich weiß, habe ich niemanden umgebracht!«
    Nathan überlegte kurz.
    »Du hast recht. Du könntest …«
    »Was?«
    »Du könntest dich ergeben. Dir kann ja nicht viel passieren.«
    Nathan schwieg. Plötzlich war er davon überzeugt, dass das die Lösung war. Wenn Shaé sich ergab, konnte man ihr höchstens Beamtenbeleidigung vorwerfen oder eine etwas zu heftige Reaktion. Sie würde aus der Sache problemlos wieder rauskommen. Aber für ihn würde es die Situation um einiges erleichtern. Das versuchte er Shaé gerade zu erklären. Doch sie ließ ihn nicht ausre-den.
    »Kommt nicht in Frage.«
    »Aber warum denn nicht? Du weißt, du schuldest mir nichts. Ich kann …«
    Die Antwort war eindeutig.
    »Nein, Nat. Kommt überhaupt nicht in Frage, dass ich auch nur eine Nacht in der Zelle verbringe.«
    Nat. Sie hatte Nat zu ihm gesagt. Diese einfache Kurz-form – so hatten ihn auch die meisten seiner Freunde gerufen. Das klang nicht nach einer besonderen Erinnerung oder gefühlsmäßigen Bindung. Doch weil sie ihn so 107

    nannte, waren seine Argumente wie weggeblasen und auch sein Bedürfnis, seinen Weg alleine fortzusetzen.
    »Gehen wir«, sagte er, stand auf und zeigte damit, dass die Diskussion beendet war. »Sehen wir zu, dass wir sie uns möglichst weit vom Hals halten.«
    Bei Sonnenuntergang trafen sie auf Bahngleise, die die Landschaft von Ost nach West teilten.
    »Vergiss es«, sagte Shaé, als sie Nathans nachdenkliche Miene sah. »Hier fährt nur der TGV durch. Mit Höchstgeschwindigkeit. Da springst du nicht auf.«
    Nathan nickte zustimmend. Sie liefen die Schienen entlang, als seien sie unfähig, sich von diesem einzigen Zeichen menschlicher Gegenwart im Umkreis von Kilometern zu entfernen. Bis Shaé sich auf den Schotter fallen ließ.
    »Ich kann nicht mehr«, sagte sie.
    Sie zitterte.
    Mit Einbruch der Dunkelheit wurde der Wind eisig, und die Müdigkeit verbesserte ihre Situation auch nicht.
    Ganz zu schweigen von ihrem Hunger.
    »Nur Mut«, sagte er und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Dort hinten ist eine kleine Hütte. Wir werden …«
    Shaé befreite sich mit einem Ruck und stand wortlos auf. Nathan sah sie überrascht an, sagte aber nichts. Nach wenigen Minuten erreichten sie die Hütte. Sie war knapp zwei Meter breit und kaum länger. Es war eines dieser Materialhäuschen, die in regelmäßigen Abständen entlang der Bahnstrecke errichtet worden waren. Falls es verschlossen sein sollte, könnte man es wahrscheinlich ohne größere Schwierigkeit knacken.

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    Nathan stieß gegen die Tür, als plötzlich Geheul ertön-te.
    Genau hinter ihnen.

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    as ist das?«, fragte Shaé beunruhigt.
    W Anstatt einer Antwort stieß Nathan sie in die Hütte und schlug die Tür zu. Die letzten Sonnenstrahlen des Tages fielen durch ein kleines Fenster und schenkten gerade noch ein bisschen Licht.
    »Nein!«, schrie sie und schlug um sich. »Ich will hier raus!«
    Ohne sich um ihre Proteste zu kümmern, durchsuchte Nathan den Werkzeugstapel, der auf dem Boden herum-lag. Er entschied sich für eine Eisenstange, die er zwischen die Rückwand und den Türgriff klemmte. So konnte man die Tür nicht

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