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Das achte Tor

Das achte Tor

Titel: Das achte Tor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: bottero
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der die Hülle verschnürt war.
    Zum Vorschein kam ein japanisches Langschwert, sehr schlicht, in einer Scheide aus lackiertem Holz. Nur der Griff trug eine Verzierung, die einen blühenden Kirsch-zweig darstellte. Shaé schloss ihre Hand um den Griff und zog die Klinge ein paar Zentimeter heraus. Sie war wundervoll geschliffen, so perfekt, dass sich die Wirklichkeit auf ihrer Schneide zu spiegeln schien.
    »Das ist ein Katana, ein Langschwert«, erklärte Nathan,
    »es wurde von Masamune geformt, dem größten Schmied, den Japan je kannte. Sensei Kamata hat es mir geschenkt.«
    Er erzählte ihr von seiner Begegnung mit dem alten Meister und dem Training, dem er beigewohnt hatte.
    Dank seiner Scholiastenfähigkeit konnte er sich an einer wunderbaren Quelle mit Wissen vollsaugen.
    »Das Unglaubliche daran war: So viel ich auch gelernt hatte – als ich Sensei Kamata auf den Tatamimatten gegenüberstand, war ich nur ein Anfänger, Millionen Lichtjahre von ihm entfernt. Ich besaß die Fähigkeiten eines Meisters, doch vor diesem Meister war ich nichts.«
    »Ich finde das eher beruhigend«, sagte Shaé.
    Ohne näher auf die Bemerkung einzugehen, fuhr Nathan fort:
    »Wir haben drei Stunden gearbeitet, und in diesen drei Stunden habe ich Fortschritte gemacht. Und weißt du was? Zu keinem Zeitpunkt habe ich die Grenzen seiner Kunst entdeckt. Als wir uns verabschiedeten, gab mir Sensei Kamata dieses Schwert, eines der schönsten der 272

    Welt. Er erklärte mir auf Japanisch, dass er fühle, ich bräuchte es auf meinem weiteren Weg. ›Dieses Schwert gehört dir. Gebrauche es richtig, es wird dir dienen.
    Achtest du es, so wird es dich überraschen. Es wird dir deinen Weg öffnen.‹ Das waren seine Worte. Wenn man weiß, welche Bedeutung der Begriff ›Weg‹ für einen Mann wie ihn hat, dann ist es ein Geschenk von unschätzbarem Wert. Weißt du, dass Masamune …«
    Nathan verstummte.
    »Es tut mir leid«, sagte er dann. »Wie erging es dir?«
    »Gut.«
    »Und weiter?«
    »Nimm meine Hand.«
    Shaés Stimme zitterte. Sie war nicht sicher, ob sie aushalten würde, worum sie ihn gebeten hatte. Doch als sie sah, wie er mit strahlenden Augen ihrer Bitte nachkam, gelang es ihr, sich zu beherrschen.
    »Ich spüre nicht mehr den Atem der Hyäne in meinem Nacken«, erklärte sie. »Das heißt noch lange nicht, dass alles in Ordnung ist. Die Kraft der Metamorphen ist nicht einfach zu verstehen und noch weniger zu beherrschen.«
    »Was willst du damit sagen?«
    »Als mich das Etwas dominierte, zwang es mich, zur Hyäne zu werden. Das ist jetzt nicht mehr der Fall, aber ich schaffe es nicht, mich in ein anderes Tier als in einen schwarzen Panther zu verwandeln.«
    Nathan konnte ein Gefühl der Enttäuschung nicht verbergen, das sich aber plötzlich in einen Ausbruch von Entsetzen wandelte, als Shaés Hand in seiner zu einer Pfote mit Krallen wurde, die mit einem dichten schwarzen Fell überzogen war.

    273

    »Aber seitdem verwandele ich mich, wann und wie ich will.«
    In Höhe ihres Ellenbogens ging das Fell unsichtbar in den Ärmel ihres Wollpullis über. Der Rest ihres Körpers hatte nicht die kleinste Metamorphose mitgemacht.
    Nathan betrachtete einen Moment die Raubkatzenpfo-te, die er zwischen seinen Fingern hielt, und streichelte dann sanft das seidige Fell.
    »Es ist wunderbar«, sagte er leise, »und schrecklich zugleich.«
    »Und außerdem wahnsinnig lustig«, erwiderte Shaé und veränderte ihre Augen, so dass sie gelb wurden.
    Wieder zuckte Nathan zusammen. Doch schon war Shaés Blick wieder normal, und er hielt fünf überaus menschliche Finger in seiner Hand.
    Sie zog ihre Hand zurück. Abrupt. Ihr war zwar ein Schauder über den Rücken gelaufen, als er ihr das Fell streichelte, aber sie ertrug nicht, dass er ihre Haut berührte.
    »Reden wir später weiter«, brach sie ab, »wir müssen den Zug erwischen, nicht wahr?«
    Nathan nickte. Er verstand sie nicht, aber spürte, dass er kein Recht hatte, Erklärungen von ihr zu verlangen.
    »Er geht in einer Stunde«, sagte er. »Ich würde gerne noch einen Spaziergang machen. Kommst du mit?«
    Sie gingen durch die Gärten des Trocadero, überquerten die Seine über den Pont d’Iéna und standen dann unter dem Eiffelturm.
    »In Wirklichkeit ist er höher als auf den Fotos!«, rief Shaé und betrachtete die imposante Metallkonstruktion.
    Nathan lächelte zufrieden, weil sie sich doch weniger verändert hatte, als er befürchtet hatte.

    274

    »Barthélemy sagte mir, dass die

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