Das Alexandria-Komplott
allmählich das Tempo auf ›Volle Kraft voraus‹; dabei hielt er mit einem Auge den Gletscher, mit dem anderen das Kreuzfahrtschiff im Blick. Die beiden zykloiden Propeller der Sounder, einer voraus, einer achtern, peitschten das Wasser, als die mächtigen Dieselmaschinen sich mit der Last abmühten.
Die Sounder verdrängte nur die halbe Tonnage der Lady Flamborough und war nicht als Schlepper entworfen worden, aber sie legte sich gewaltig ins Zeug. Schwarzer Rauch stieg aus ihrem Schornstein auf.
Zuerst schien gar nichts zu passieren, doch dann, ganz allmählich, kräuselte sich die Bugwelle unter dem Vorschiff der Sounder. Sie bewegte sich und zog den schweren Luxusliner aus dem Schatten des Gletschers.
Trotz der Gefahr, in der sie sich befanden, rissen Passagiere, Mannschaft und die Soldaten der Special Forces die Plastikplanen beiseite, standen an Deck, sahen zu und feuerten die sich abmühende Sounder an. Zehn Meter, dann zwanzig, hundert; der Spalt zwischen Schiff und Eis weitete sich mit quälender Langsamkeit.
Dann, endlich, war die Lady Flamborough doch klargekommen.
An Bord beider Schiffe brach ein Jubel aus, dessen Echo von den Wänden des Fjords zurückgeworfen wurde. Später bezeichnete Captain Collins den Jubel gutgelaunt als ›das Geschrei, das dem Esel den Rücken brach‹.
Lautes Knacken unterbrach die jubelnden Stimmen und schwoll zu einem riesigen, dumpfen Rumpeln an. Denen, die das miterlebten, kam die Luft vor wie elektrisch aufgeladen. Dann rutschte die ganze vordere Gletscherwand nach vorn und klatschte wie ein riesiger Öltanker, der seitwärts vom Stapel gelassen wird, in den Fjord. Das Wasser zischte, brodelte und erhob sich zu einer drei Meter hohen Welle, die den Fjord entlanglief und beide Schiffe wie Korken tanzen ließ, bevor sie in Richtung des offenen Meeres verschwand.
Der riesige, gerade gekalbte Eisberg ruhte im tief ausgeschnittenen Kanal des Fjords. Sein Eis glitzerte wie ein Meer von Diamanten in der morgendlichen Sonne. Dann folgte das Donnergrollen vom Berg her und hallte in den Ohren der fassungslosen Zuschauer wider, die kaum glauben konnten, daß sie das Abenteuer überlebt hatten.
58
Z uerst herrschten heillose Verwirrung, wildes Herumgeschrei und zielloses Feuern. Die Ägypter hatten keine Ahnung, wie stark die Truppe war, die sie vom vorbeifahrenden Zug aus im Speisesaal unter Beschuß genommen hatte. Sie löschten die Lampen und schossen auf die dämmrigen Schatten, bis sie merkten, daß die Schatten nicht zurückfeuerten.
Über die unbefestigten Wege zwischen den Holzgebäuden senkte sich eine seltsame Stille. Ein paar Minuten lang unternahmen die ägyptischen Terroristen keinen Versuch, aus dem Speisesaal auszubrechen.
Dann stürmte plötzlich ein halbes Dutzend Männer – zwei vorne und vier an der Rückseite – durch die Türen. Die Männer rannten geduckt im Zickzack und warfen sich der Länge nach hinter irgendwelche Deckungen. Als sie in Stellung waren, gaben sie dem Rest der Männer, der ihnen auf den Fersen folgte, Feuerschutz.
Ihr Anführer, ein hochgewachsener Mann mit einem schwarzen Turban, dirigierte die Bewegungen seiner Bande durch scharfe Pfiffe auf einer Trillerpfeife.
Nach einem kaum vielversprechenden Anfang stellte sich die Terroristengruppe der Ägypter, wie Pitt es befürchtet hatte, als gut ausgebildet, erfahren und mutig heraus. Wenn es zum Häuserkampf kommen sollte, dann gehörten sie zu den besten Kämpfern auf der Welt. Noch dazu wurden sie gut geführt. Der Anführer im schwarzen Turban war kompetent und ging methodisch vor.
Die Männer suchten ein Gebäude nach dem anderen ab, arbeiteten sich bis zur Gesteinsmühle vor und umringten das Gebäude im Halbkreis. Die von Ammar handverlesenen Killer griffen nicht kopflos an. Zielstrebig und vorsichtig rückten sie vor.
Der Anführer schrie etwas auf arabisch. Als keine Antwort kam, rief ein weiterer Terrorist ein paar Worte von einer anderen Stelle aus. Sie wollten, daß sich der Wachposten und die Mechaniker im Innern der Mühle meldeten, vermutete Pitt ganz richtig.
Die Terroristen waren jetzt zu nahe herangekommen, als daß sich Pitt am Fenster hätte zeigen können. Er zog die Skimaske und den Pullover des Wachpostens aus und warf beides auf den Boden. Dann durchsuchte er die Tasche seines Skianoraks und zog ein Spiegelchen mit einem kleinen Ausziehgriff hervor. Er hob den Spiegel etwas über den Fenstersims, zog den Griff heraus und drehte den Spiegel wie ein
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