Das Alte Aegypten
der Theorie war nur der König berechtigt, mit den Göttern zu verkehren. Danach wurden die Kleider des Gottes gewechselt, er wurde mit Ölen gesalbt, mit ausgewählten Opfergaben gespeist und ihm mit Weihrauch geräuchert. Anschließend stellte man ihn wieder in den Schrein zurück, während der Vorlesepriester noch immer heilige Sprüche aus der Festrolle verlas. Der Priester durfte sich nun, rückwärts gehend und dabei den Boden fegend, entfernen. Nur an Festtagen wurde die Kultstatue dem Volk gezeigt und bei Prozessionen herumgetragen.
Prophet
Prophet, die moderne, in der Ägyptologie gebräuchliche Übersetzung des ägyptischen Wortes für Gottesdiener, „hem netjer“, folgt der griechischen Übersetzung in alten Schriften aus der Ptolemäerzeit (305-30). Darin wird der Begriff als „prophetes“ wiedergegeben, statt vom Priester also vom Propheten gesprochen. Der Oberpriester oder Hohepriester entspricht daher dem Ersten Propheten eines Tempels. Er war der Vorsteher des Gotteshauses, während der Zweite Prophet für die Tempelverwaltung zuständig zeichnete
.
Der Zwang zur Komplettrasur
So oder so ähnlich wurde das Ritual seit dem Neuen Reich tagtäglich in allen Tempeln vollzogen. Voraussetzung für die Handlungen war die Reinheit der anwesenden Priester, sie mussten allmorgendlich rituelle Waschungen im heiligen See des Tempels oder einem Brunnen vornehmen, den Mund spülen und vor dem Betreten des heiligen Bodens Schuhe anziehen. Zur Reinlichkeit gehörte daneben auch, dass die Priester beschnitten und kahlköpfig, ja sogar frei von allen übrigen Körperhaaren waren. Auch die altertümlichen Kultschurze, die sie trugen, mussten immer frisch gewaschen sein. Sie vollzogen ihren täglichen Dienst, um die Gottheit zu veranlassen, in ihrem Haus zu weilen, dem Land ihren Segen zu erteilen und für Gebete ansprechbar zu sein. Der Kult wurde zum Besten des Volkes vollzogen, das von ihm weniger wusste als wir heute.
Ein profanes Amt
Da der Priester nur der Vertreter des Königs war, genügte es, wenn er die Kulthandlungen beherrschte und die richtigen Opfer darbrachte. Er war nicht der Mittler zwischen Gott und den Menschen, wie seine heutigen Nachfolger in verschiedenen Religionen, darum musste er auch nicht besonders fromm oder theologisch ausgebildet sein. Sein Amt war normalerweise erblich und, in den oberen Rängen, sehr lukrativ, denn die Tempel verfügten meist über großen Landbesitz. Viele einfache Priester waren verheiratet und wohnten in einem Haus am Rande des Tempelbezirks. Sie konnten weltlichen Berufen nachgehen und mussten nur temporär Tempeldienst leisten. Entlohnt wurden sie durch die Opfergaben, an denen ihnen ein Nutzungsrecht zustand.
Seit alter Zeit versahen auch Priesterinnen ihren Dienst. Sie findet man jedoch eher in solchen Funktionen, die denen von spezialisiertem Dienstpersonal gleichkamen.
Durch die hervorragenden klimatischen Bedingungen in den abgeschlossenen Gräbern haben sich sogar über 4500 Jahre alte Holzstatuen wie die des Kaaper, eines Priesters und hohen Beamten des Alten Reichs, erhalten, der fälschlicherweise auch „Scheich el-Beled“ genannt wird. Als die Figur 1860 in einer Mastaba in Sakkara gefunden wurde, gaben die einheimischen Helfer, da sie in ihr ihren Bürgermeister zu erkennen glaubten, diesen Namen; er bedeutet übersetzt „Dorfschulze“
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(c) akg, Berlin
Das ewige Leben
Jenseitsvorstellungen
Ist nur sehr wenig über das Brauchtum bei der Geburt bekannt, nichts über das bei einer Hochzeit (siehe S. 60), so umso mehr von dem, was Sterben und Tod betrifft. Von den Vorstellungen, die die Ägypter mit Tod, Begräbnis und dem Jenseits verbanden, ist zudem nicht wenig in den christlichen Glauben übergegangen. Im besten Fall ist der Tod für die Ägypter nur eine Unterbrechung des Lebens, das im Jenseits fortgesetzt werden kann, wenn bestimmte Vorkehrungen getroffen werden. Um sie kümmerte sich der Wesir wie der einfache Landarbeiter schon während seines Lebens, denn man wollte es im Tod so bequem wie möglich haben. Da das Jenseits dem Diesseits glich, stattete man sein Grab mit allem aus, was man alltäglich brauchte. Um auch nach der Beendigung der Lebenszeit, nach dem Einhauchen der Abberufung durch Boten des Totengottes ins linke Ohr, seiner Organe und Sinne mächtig zu bleiben, war eine fachgerechte Mumifizierung vonnöten. Groß war darum die Angst davor, im Ausland zu sterben oder etwa zu ertrinken. Ohne den Leichnam war nicht an ein
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