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Das alte Haus am Meer

Das alte Haus am Meer

Titel: Das alte Haus am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: wentworth
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hätten den Reiz des Unbekannten.«
Sie ging zur Glastür. Sie wollte sich davon frei machen, und dann, wie um sich noch einmal zu vergewissern, fragte sie, ohne sich umzudrehen:
»Du willst also, dass ich gehe?«
»Ja.«
»Warum?«
»Je weniger man darüber spricht, desto besser.«
Jetzt drehte sie sich um.
»Warum?«
Er zuckte mit den Schultern.
»Ein Familientreffen, Nostalgie.«
Lisle hob den Kopf.
»Ich soll gehen?«
»So sieht es aus.«
»Und Alicia soll bleiben?«
»So sieht es Alicia.«
Lisle wandte sich ab und ging durch die Glastür. Vier Stufen führten hinunter zur Terrasse. Bevor sie die erste nahm, blickte sie über die Schulter zurück.
»Ich halte dich für keinen guten Wahrsager«, sagte sie.
    17

    Die Ereignisse des Abends sollten noch genau untersucht, immer und immer wieder durchgegangen und erneut betrachtet werden. Am Abend selbst erschienen sie nicht ungewöhnlich. Es war ein Abend wie immer, eher eintönig.
    Um acht wurde zu Abend gegessen, um zwanzig vor neun war man fertig. Rafe und Alicia unterhielten sich. Sie hatte ein neues Strahlen an sich. War schön wie nie. Auf der Brust trug sie einen grünen Edelstein. Dale trank mehr als üblich. Lisle tat, als sei sie mit Essen beschäftigt. Als sie um Viertel vor neun auf der Terrasse Kaffee tranken, wurde sie weggerufen, weil Cissie Cole gekommen war. Später würde sie immer wieder über dieses Treffen befragt werden, aber an diesem Abend gab es einfach nur zwei junge Frauen, die sich unterhielten, und beide waren unglücklich.
    Lisle brach das Eis, indem sie die grünrot karierte Jacke holte. Auch der schlimmste Liebeskummer kann meist durch die oberflächliche Freude an einem Kleidungsstück kurz gelindert werden. Alle Kleider von Mrs Jerningham waren teuer und gut geschnitten. Die Jacke war nur drei- oder viermal getragen worden. Cissie zog sie an, betrachtete sich in einem goldverzierten Spiegel aus dem achtzehnten Jahrhundert und brachte ein zitterndes Lächeln zu Stande. Die zu lebhaften Karos standen ihr noch weniger als Lisle. Sie nahmen ihr das letzte bisschen Farbe aus dem Gesicht und ließen ihre blassblauen Augen wässrig grau wirken. Aber sie sah nur die Jacke selbst, fast neu und schicker als alles, was sie je besessen hatte.
    »Oh, Mrs Jerningham, ist die schön!« Behutsam zog sie die Jacke wieder aus und legte sie mit dem Futter nach außen zusammen. Man sollte sie nicht darin weggehen sehen, vor allem nicht dieser William, aber sobald sie die Einfahrt hinter sich gelassen hatte, würde sie wieder hineinschlüpfen. So ähnlich sahen wohl ihre Gedanken aus.
    Lisle war dankbar für den veränderten Gesichtsausdruck. Cissie war ganz offensichtlich zu ihr geschickt worden und hatte nicht die geringste Lust dazu gehabt. Aber nun war der reservierte Blick verschwunden. Mit einer Hand auf der Jacke sagte sie:
    »Das ist sehr liebenswürdig von Ihnen. Meine Tante hat gesagt, Sie wollten mich sprechen.«
Es gab nichts, das Lisle weniger wollte. Sie war niedergeschlagen über Alicias Triumph. Sie fühlte sich besiegt und am falschen Ort. Aber jetzt musste sie die richtigen Worte für Cissie finden. Sie sagte:
»Ich glaube, Ihre Tante ist sehr unglücklich über Sie.«
Cissie schniefte und warf den Kopf in den Nacken.
»Das braucht sie nicht. Und wenn, dann ist sie nicht die Einzige.«
»Sie meinen, Sie sind auch unglücklich?«
Cissie nickte, schluckte und zog ein Taschentuch aus ihrem Kleid.
Lisle legte ihr eine Hand aufs Knie.
»Möchten Sie vielleicht für eine Weile weggehen? Eine Freundin von mir sucht ein Kindermädchen. Sie hat zwei kleine Mädchen und sucht jemanden, der sie in die Schule bringt, abholt und für sie näht. Wäre das etwas für Sie?«
Cissie schluchzte und schüttelte den Kopf.
»Glauben Sie nicht, es wäre einfacher, wenn Sie für eine Weile weggingen?«
»Und ihn gar nicht mehr sehen, nie mehr?«, schluchzte Cissie.
Lisle spürte, wie ihr selbst die Tränen in die Augen stiegen. Cissies ›nie mehr‹ hatte einen wunden Punkt in ihrem Inneren berührt.
»Was nützt es, wenn Sie ihn sehen?«, erkundigte sie sich.
»Gar nichts nützt es«, brach es mit einem neuen Schluchzer aus Cissie heraus. Sie schluckte ihre Tränen hinunter, steckte das nasse Taschentuch in ihr Kleid und stand auf, die rotgrüne Jacke an sich gedrückt. »Es bringt auch nichts, darüber zu reden, und ich muss jetzt gehen. Sie waren wirklich sehr freundlich, und danke für die Jacke.«
Lisle ging zurück auf die Terrasse. Nur Rafe war noch

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