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Das alte Königreich 02 - Lirael

Titel: Das alte Königreich 02 - Lirael Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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nicht behagte. Sie verspürte einen unbestimmten Druck, der mit jeder Stufe zunahm.
    Die Hündin wartete noch mindestens achtmal auf Lirael, ehe sie den Fuß der tiefen Treppe erreichten. Lirael schätzte, dass sie sich nun gut vierhundert Meter tiefer als je zuvor unter dem Berg befand. Es gab hier keinerlei Eis-Einschlüsse, was die Sache noch merkwürdiger machte. Es war nicht wie in den anderen Bereichen der Clayr-Domäne.
    Je tiefer sie kamen, desto dunkler wurde es. Die alten Charterzeichen für Licht schwanden, bis sie nur noch hier und da trübe flackerten. Wer immer diese Treppe errichtet hatte, musste sich von unten nach oben gearbeitet haben, erkannte Lirael. Die unteren Charterzeichen waren viel älter und seit Jahrhunderten nicht erneuert worden.
    Normalerweise störte Dunkelheit sie nicht, aber hier, so tief im Berg, war es anders. Lirael rief Licht herbei – zwei helle Charterleuchtzeichen, die sie in ihr Haar wob, so dass das Licht schwankend den Boden vor ihr ausleuchtete, während sie weiter hinunterstieg.
    Am Fuß der Treppe blieb die Hündin vor einer weiteren chartergeschützten Tür stehen. Diese Tür war aus Stein, in den mehrere Buchstaben eines uralten Alphabets gehauen waren sowie einige Charterzeichen, die nur ein Chartermagier zu sehen vermochte.
    Lirael beugte sich näher heran, um sie zu lesen; dann fuhr sie zurück, drehte sich zur Treppe um und versuchte davonzulaufen. Dabei geriet die Hündin zwischen ihre Beine und brachte sie zu Fall. Lirael verlor die Kontrolle über ihren Lichtzauber. Die leuchtenden Zeichen erloschen und kehrten in den endlosen Strom der Charter zurück.
    In einem Augenblick greller Panik kroch Lirael durch die Finsternis in die Richtung, in der sie die Treppe vermutete. Dann berührten ihre Finger die weiche nasse Nase der Hündin, und sie sah ein schwaches spektrales Leuchten, das die Umrisse ihrer vierbeinigen Begleiterin umfasste.
    »Das hast du aber geschickt gemacht«, spöttelte die Hündin in der Dunkelheit. »Hast du dich plötzlich daran erinnert, dass du noch einen Kuchen im Rohr hast?«
    »Die Tür«, hauchte Lirael und machte keine Anstalten aufzustehen. »Es ist eine Grabtür. Die Tür zu einer Gruft.«
    »Tatsächlich?«
    »Mein Name steht darauf«, flüsterte Lirael.
    Eine längere Pause setzte ein. Dann sagte die Hündin: »Du glaubst ernsthaft, dass jemand sich die Mühe gemacht hat, vor tausend Jahren eine Gruft für dich zu errichten – nur auf die vage Möglichkeit hin, dass du sie eines Tages betreten und zuvorkommenderweise einen Herzanfall haben würdest?«
    »Nein…«
    Eine neuerliche Pause setzte ein, ehe die Hündin sagte: »Angenommen, es ist wirklich die Tür zu einer Gruft, würdest du mir dann verraten, wie selten der Name Lirael ist?«
    »Ich glaube, es gab eine Großtante, nach der ich benannt wurde, und da war noch eine vor ihr…«
    »Wenn das eine Gruft ist, dann wahrscheinlich die einer ganz frühen Lirael«, meinte die Hündin beruhigend. »Aber wie kommst du überhaupt auf die Idee, dass es die Tür zu einer
Gruft
ist? Ich glaube mich zu erinnern, dass zwei Worte an der Tür standen, und das zweite sah nicht wie ›Gruft‹ oder ›Krypta‹ aus.«
    »Was war es dann?«, fragte Lirael, erhob sich mühsam und langte in die Charter für Lichtzeichen. Sie konnte sich nicht wirklich an das zweite Wort erinnern, wollte jedoch nicht zugeben, dass sie das überwältigende Gefühl gehabt hatte, es wäre eine Gruft. Dieses Gefühl – und der Anblick ihres Namens – hatte zu einem Augenblick greller Panik geführt, so dass sie nur noch wegwollte, zurück in die Sicherheit der Bibliothek.
    »Es ist etwas ganz anderes«, sagte die Hündin zufrieden, gerade als Licht von Liraels Fingerspitzen auf die Tür fiel.
    Diesmal blickte Lirael lange auf die eingemeißelten Buchstaben, und ihre Hände berührten die tiefen Zeichen im Stein. Sie runzelte die Stirn, während sie die Worte immer wieder las.
    »Ich verstehe es nicht«, sagte sie schließlich. »Das zweite Wort ist ›Pfad‹. Hier steht ›Liraels Pfad‹!«
    »Dann solltest du hineingehen«, meinte die Hündin. »Auch wenn du nicht jene Lirael bist, deren Pfad dies ist, so bist du doch eine
Lirael,
was nach meinem Buch eine ziemlich gute Ausrede ist und…«
    »Sei still!«, sagte Lirael und überlegte. Wenn diese Tür der Anfang eines für sie bestimmten Pfades war, müsste er wenigstens tausend Jahre alt sein. Unmöglich war das nicht, denn die Clayr hatten manchmal Visionen

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