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Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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nichts nützen«, wandte Mogget ein. »Wenn sie spricht, geht einem die Stimme durch Mark und Bein. Wenn sie singt… Nun, hoffen wir, sie tut es nicht.«
    »Wir werden nicht mit ihr zusammentreffen. Ihr könnt euch auf meine Nase verlassen«, versicherte die Hündin. »Wir finden unseren Weg.«
    »Könnt ihr uns sagen, wer Kalliel war?«, fragte Sam.
    »Kalliel war der zwölfte Abhorsen«, antwortete Mogget. »Ein äußerst misstrauisches Individuum. Er hielt mich jahrelang eingesperrt. Damals dürfte der Brunnen gegraben worden sein. Sein Enkel hat mich befreit, als Kalliel verschwunden war. Er erbte die Glocken und den Titel seines Großvaters. Ich möchte keinen Anteil an Kalliels Verdammnis. Schon gar nicht in einem Brunnen.«
    Lirael zuckte zusammen, als sie plötzlich irgendetwas im Nebel spürte. Die düstere Kreatur, die bisher in einiger Entfernung gelauert hatte, setzte sich in Bewegung. Lirael fühlte, dass sie viel stärker war als die Schattenhände, die sich innerhalb und außerhalb des Nebelrandes bewegten.
    Chlorr kam näher, fast bis zum Ufer. Und wenn sie es nicht war, dann jemand von gleicher oder größerer Macht. Vielleicht war es sogar der Nekromant, dem sie im Tod begegnet war.
    Hedge. Derselbe Nekromant, der Sam die Brandwunden zugefügt hatte. Lirael konnte die Narben an Sams Handgelenken durch die Ärmelschlitze seines Wappenrocks sehen.
    Dieser Wappenrock war ein weiteres Rätsel – doch damit würde sie sich ein anderes Mal beschäftigen. Sein Muster stellte die königlichen Türme mit einem Werkzeug dar, wie man es seit tausend Jahren nicht mehr gesehen hatte: der Kelle der Mauermacher.
    Sam bemerkte ihren Blick und drückte auf den schweren Goldfaden, wo das Symbol der Mauermacher ins Linnen gewoben war. Allmählich gelangte er zu der Überzeugung, dass die Sendlinge keinen Fehler gemacht hatten, als sie ihm den Wappenrock brachten. Erstens war er neu angefertigt und nicht aus einem muffigen Schrank oder jahrhundertealten Waschkorb. Also hatte er wahrscheinlich aus irgendeinem Grund das Recht, den Wappenrock zu tragen. Er war ebenso ein Mauermacher wie ein königlicher Prinz. Aber was bedeutete das? Die Mauermacher waren bereits vor Jahrtausenden verschwunden, als sie sich bei der Erschaffung selbst in die Mauer und die Großen Chartersteine eingefügt hatten. Buchstäblich, wie Sam wusste.
    Einen Moment lang fragte er sich, ob dieses Los auch ihm beschieden war. Würde er etwas erschaffen müssen, das sein Dasein beendete, zumindest als lebender, atmender Mensch? Denn die Mauermacher waren nicht wirklich tot, wie Sam wusste, als er an die Großen Chartersteine und die Mauer dachte. Sie waren umgewandelt, hatten ihre menschliche Gestalt aufgegeben.
    Nicht dass es ihm besser gefallen würde als der Tod… doch es war ohnehin wahrscheinlicher, dass er sterben würde.
    Er starrte hinaus in den Nebel und spürte die kalte Gegenwart des Todes in seinem Innern.
    Wieder berührte Sam den Goldfaden an seiner Brust. Er fühlte sich beruhigend an, und seine Angst vor dem Tod wich. Er hatte nie ein Abhorsen sein wollen. Mauermacher erschien ihm viel interessanter, obwohl er gar nicht richtig wusste, was es hieß, ein Mauermacher zu sein.
    »Wir sollten aufbrechen«, sagte die Hündin und erschreckte sowohl Lirael wie Sam. Auch Lirael hatte in den Nebel gestarrt und war in Gedanken versunken gewesen.
    »Ja«, murmelte sie. Nicht zum ersten Mal wünschte sie sich, wieder in der Großen Bibliothek der Clayr zu sein. Doch diese Hoffnung musste sie ebenso verdrängen wie ihren lebenslangen Wunsch, das weiße Gewand und die mit Mondsteinen besteckte Silberkrone einer erwachsenen Tochter der Clayr tragen zu dürfen. Sie war jetzt eine Abhorsen, und vor ihr lag eine große und entscheidende Aufgabe.
    »Ja«, wiederholte sie. »Wir müssen aufbrechen, und wir werden den Weg durch den Brunnen nehmen.«

     

2
    In die Tiefe
     
    Nachdem sie die Entscheidung getroffen hatten, brauchten sie nur eine knappe Stunde für die Vorbereitungen. Lirael musste zum ersten Mal seit ihrem Kampfkunst-Unterricht wieder eine Rüstung tragen, doch der Panzer, den ihr die Sendlinge brachten, war viel leichter als die Kettenrüstungen, welche die Clayr in ihren Übungswaffenkammern aufbewahrten. Der Panzer war aus winzigen, sich überlappenden Plättchen eines Materials gefertigt, das Lirael fremd war, und trotz seiner Knielänge und der langen Schwalbenschwanz-Ärmel war er leicht und bequem, roch zu Liraels Erleichterung

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