Das alte Königreich 03 - Abhorsen
nicht mit meinem Traum übereinstimmt, weil du kein Kätzchen bist. Du bist ein… ein geflügelter Hund«, schloss er, wobei er der Fragwürdigen Hündin an die Nase fasste. Die Festigkeit der Illusion überraschte ihn, und fiebrige Röte stieg in sein Gesicht.
»Träume ich wirklich?«, sagte er plötzlich und schlug sich ins Gesicht. »Nein, ich träume nicht, oder? Ich glaube, ich werde… verrückt.«
»Du bist nicht verrückt«, beruhigte ihn Lirael. »Aber du bist krank. Du hast Fieber.«
»Ja, das stimmt«, meinte Nick besorgt und fuhr sich mit dem Handrücken über seine schweißnasse Stirn. »Ich muss wieder ins Bett. Wie Hedge sagte, bevor er ging, um sich um den zweiten Kahn zu kümmern.«
»Nein«, befahl Lirael. Ihre Stimme drang seltsam laut aus dem kleinen Schnabel der Eule. »Du brauchst frische Luft. Hündin, kannst du ihm befehlen, dass er geht? Wie damals dem Armbrustschützen?«
»Vielleicht«, knurrte die Hündin. »Ich spüre mehrere Kräfte in ihm, und ein Fragment des eingeschlossenen Zerstörers ist eine unberechenbare Macht. Zudem wird es die Toten auf uns aufmerksam machen.«
»Sie sind noch mit dem Transport der Hemisphären beschäftigt«, entgegnete Lirael. »Es wird eine Weile dauern, bis sie hier sind. Tu es.«
»Ich gehe wieder ins Bett«, erklärte Nick und presste die Hände an den Kopf. »Und je früher ich wieder zu Hause in Ancelstierre bin, desto besser.«
»Du wirst nicht ins Bett gehen«, knurrte die Hündin und kam auf ihn zu. »Wir machen einen Spaziergang.«
Sie bellte so tief und laut, dass das Zelt erbebte und die Stangen zitterten. Lirael spürte, wie die Kraft durch ihre Federn drang. Funken stoben von ihr, als die Freie Magie auf die Charterzeichen ihrer veränderten Gestalt traf.
»Folge mir!«, befahl die Hündin, als sie sich umwandte und das Zelt verließ. Nick folgte ihr drei Schritte weit, dann hielt er im Eingang inne und klammerte sich an die Plane.
»Nein, nein, das kann ich nicht«, murmelte er. Seine Muskeln zuckten unter der Haut seines Halses und seiner Hände. »Hedge wollte, dass ich bleibe. Es ist am besten so.«
Die Hündin bellte wieder, noch lauter diesmal, dass es selbst über den unablässigen Donner hinweg weithin zu hören war. Funken sprühten um Lirael, und Nicks Pyjama fing Feuer unter ihren Klauen, so dass sie aus dem Zelt fliegen musste.
Nick schauderte und wand sich, als die Kraft des Gebells ihn traf. Er sank auf die Knie, kroch stöhnend aus dem Zelt und rief nach Hedge. Lirael kreiste über ihm und blickte nach Westen.
»Steh auf!«, befahl die Hündin. »Geh. Folge mir!«
Nick stand auf, machte ein paar Schritte, erstarrte und verdrehte die Augen. Weißer Rauch quoll ihm aus dem Mund.
»Gebieterin!«, rief die Hündin. »Das Fragment in ihm erwacht! Du musst deine eigene Gestalt annehmen und es mit den Glocken bezwingen!«
Lirael kam wie ein Stein aus der Luft herab und beschwor die Charterzeichen, um aus der Eulenhaut zu schlüpfen. Zuvor sahen ihre großen gelben Augen, wie Hunderte Totenhände die Seile fallen ließen und sich in die Richtung des Zeltes drehten und dann mit schaurigem, hundertfachem Knarren und Knarzen der spröden Gelenke zu rennen begannen, und wie die Vordersten sich aneinander vorbeikämpften, um den Lockungen der Magie zu folgen, hinter der ein Leben stand, dem sie den Tod bringen konnten. Ein blühendes Leben, um ihren ewigen Hunger zu stillen.
Die Hündin bellte erneut, als der Rauch aus Nicks Nase drang, doch es schien nichts zu bewirken. Lirael konnte nur zusehen, wie der Rauch sich emporringelte. Sie war in einem strahlenden Sturm aus Licht gefangen, während die Charterhaut in ihre einzelnen Zeichen zurückwirbelte.
Dann hatte sie ihre eigene Gestalt wieder. Sie griff nach Saraneth und Nehima. Aber noch etwas war gegenwärtig – eine Wesenheit, die in Nick loderte und ihn mit einer inneren Glut erfüllte, so dass die Regentropfen zischten, wenn sie seine Haut trafen. Der metallische Gestank der Freien Magie drang in einer Woge aus ihm hervor, als eine Stimme, begleitet von weißen Rauchwolken, aus seinem Mund kam.
»Wer wagt es… äh, ich hätte wissen müssen, dass du nicht ruhig zusehen wirst, aber du und deine Schwestern…«
»Schnell, Lirael«, rief die Hündin. »Ranna und Saraneth zusammen mit meinem Gebell!«
»Zu mir, meine Diener«, schrie die Stimme aus Nick, die so laut und schrecklich war, wie keine menschliche Kehle sie zu Wege gebracht hätte. Sie übertönte selbst
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