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Das alte Königreich 03 - Abhorsen

Titel: Das alte Königreich 03 - Abhorsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garth Nix
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Flammen, die seine Haut umspielten und in seinen Augenhöhlen loderten, waren heller und intensiver. Zum ersten Mal hatte Nick Angst vor ihm. Er fragte sich, weshalb er dieses Gefühl der Bedrohung erst jetzt verspürte. Aber er war zu schwach, irgendetwas anderes zu tun, als zu Hedges Füßen zu kauern und die Finger in die Brust zu krallen, wo noch immer der Schmerz tobte.
    »Bald«, sagte Hedge, und seine Stimme grollte wie Donner. »Bald wird unser Gebieter frei sein.«
    Nick merkte, dass er begeistert nickte, und das machte ihm nicht weniger Angst als die grauenvolle Erscheinung Hedges. Er sank bereits wieder zurück in den traumähnlichen Zustand, in dem er nur an die Hemisphären und seine Blitzfarm denken konnte und daran, was getan werden musste…
    »Nein«, flüsterte Nick.
Was nicht getan werden durfte.
Er wusste nicht, was geschah. Und bis er es wusste, würde er nichts tun, gar nichts. »Nein!«
    Hedge erkannte, dass Nick mit sich selbst sprach. Er grinste und Feuer zuckte in seiner Kehle. Er hob Nick hoch wie einen Säugling und drückte ihn an seine Brust, an den Glockengurt.
    »Deine Arbeit ist fast getan, Nicholas Sayre«, sagte er. Sein Atem war wie heißer Dampf und roch nach Verwesung. »Du bist nie mehr als ein unvollkommenes Werkzeug gewesen. Dein Onkel und dein Vater erwiesen sich als viel hilfreicher, als ich je zu hoffen gewagt hätte, wenn auch unwissentlich.«
    Nick starrte hilflos in die brennenden Augen. Längst hatte er alles, woran er sich im Tunnel erinnert hatte, wieder vergessen. In Hedges Augen sah er die Silberhemisphären, die Blitze, die Zusammenführung, die der einzige Zweck seines kurzen Lebens war, wie er nun wusste.
    »Die Hemisphären«, flüsterte er, und es klang wie ein Ritual. »Die Hemisphären müssen vereint werden.«
    »Bald, Gebieter, bald«, sang Hedge. Er stapfte zu den wartenden Trägern, legte Nicholas auf die Bahre und strich mit einer geschwärzten, brennenden Hand über dessen Brust, genau über dem Herzen. Was von Nicks ancelstierrischem Hemd noch übrig war, löste sich unter der Berührung auf. Darunter war die Haut blau wie von Schlägen. »Bald!«
    Nick blickte ihm abwesend nach. Kein Gedanke war mehr in ihm. Nur die brennende Vision der Hemisphären und ihrer endgültigen Vereinigung. Er versuchte sich aufzusetzen, um nach ihnen zu sehen, doch er hatte nicht die Kraft. Überdies wurde der Nebel dichter. Erschöpft von der Anstrengung, ließ Nick seine Hände links und rechts von der Bahre herabhängen.
    Ein Finger berührte etwas Spitzes auf dem Boden, das ein seltsames Gefühl seinen Arm emporsandte: einen heftigen Schmerz und eine wundervolle heilende Wärme.
    Er versuchte das Objekt festzuhalten, doch seine Finger wollten nicht gehorchen. Mit großer Anstrengung drehte er sich auf die Seite, um zu sehen, was es war. Er blickte über den Rand der Bahre hinab und bemerkte ein Stück zersplittertes Holz, ein Fragment einer der zerstörten Windpfeifen, deren Überreste er in ein paar Fuß Entfernung sehen konnte. Das Bruchstück war noch immer durchdrungen von Charterzeichen, die das Holz umflossen. Während Nick sie beobachtete, regte sich etwas in den Tiefen seines Verstandes. Einen Moment lang erinnerte er sich wieder, wer er wirklich war, und an das Versprechen, das er Lirael gegeben hatte.
    Seine rechte Hand gehorchte ihm nicht, deshalb drehte er sich weiter herum und versuchte, das Bruchstück mit der Linken aufzuheben. Dies gelang ihm ein paar Sekunden lang, dann gehorchte ihm auch die linke Hand nicht mehr. Seine Finger öffneten sich, und das Stück Windpfeife fiel auf die Bahre zwischen Nicks linken Arm und seinen Körper und lag dann dort, ohne ihn zu berühren.
     
    Hedge war nicht weit weg von Nicholas. Er schritt durch den Nebel, der sich vor ihm öffnete, geradewegs zum größten Leichenberg. Diesen Südlingen war von den Toten der Garaus gemacht worden, die Hedge zuvor an diesem Tag aus den Friedhöfen außerhalb der Lager zurückgeholt hatte. Der Gedanke, Südlingstote zu verwenden, um Südlinge zu töten, belustigte ihn. Sie hatten auch die Soldaten im Stützpunkt West und die Marinesoldaten im Leuchtturm getötet.
    Hedge hatte die Mauer an diesem Tag dreimal durchquert. Einmal, um die ersten Angriffe in Ancelstierre in die Wege zu leiten, was nicht schwer gewesen war. Das zweite Mal auf dem Weg zurück, um den Transport der Hemisphären vorzubereiten, was sich als viel schwieriger erwiesen hatte. Und zum dritten Mal mit den

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