Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
schnell wie möglich in die Finger zu bekommen. Und das bedeutete, sich nicht mit der Hexe anzulegen. Es war ihr gelungen, ihn mit ihrer Magie zu manipulieren … zweimal. Er wäre ein Narr, wenn er das noch mal riskieren würde. Sollte sie ihre Macht doch an den Hexern ausprobieren. Sie war ihnen auf jeden Fall gewachsen.
Natürlich nur, wenn sie keine Verstärkung mitbrachten. Oder sie aus dem Hinterhalt überfielen. Was absolut möglich war, nachdem sie nicht wissen konnte, dass ihre Angreifer von einem brutalen Kredithai geschickt wurden, der seine Schergen so lange auf sie hetzen würde, bis er hatte, was er wollte. Sie konnte nicht wissen, dass sie sich vorbereiten oder Rückendeckung holen musste, außer jemand warnte sie. Aber auch das war nicht sein Problem.
Es hatte eine Zeit gegeben, in der er es, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, zu seinem Problem gemacht hätte. Hexe oder nicht, sie war immer noch eine Frau, und das hatte ihm einmal etwas bedeutet. Sie war eine Frau, die einer Bedrohung gegenüberstand, die größer war als sie, einem unfairen Kampf. Einst wäre das schon genug gewesen, um ihn zu ihrer Rettung eilen zu lassen, egal wie seine Chancen standen, egal, wie viel es ihn gekostet hätte.
Einst. Aber heute nicht mehr.
Diese Zeit und dieser Mann existierten nicht mehr.
Sie spürte ihn, bevor sie ihn sah.
Ein Schauder glitt ihr über den Rücken, ihr Blut kochte für einen Moment, und Eve wusste es. Instinktiv. Eindeutig.
Gabriel Hazard hatte das Gebäude betreten.
Und weiter, dachte sie energisch bei sich selbst, würde er auch nicht kommen.
Das WWRI-Studio lag in den obersten drei Etagen des Pelham-Gebäudes. Wie jeder andere, der das Gebäude ohne Angestelltenausweis betrat, würde sich Hazard am Empfang melden müssen. Und wenn er nicht bereits angekündigt war, würde der Wachmann bei ihr um Erlaubnis fragen, bevor er Hazard durchließ.
Und sie würde keine Erlaubnis geben.
Ich werde mich melden. Das waren seine Abschiedsworte gestern Nacht gewesen und sie zweifelte nicht daran, dass er sie ernst gemeint hatte. Sie wusste nur nicht, wo und wann sie ihn erwarten sollte. Wenn man bedachte, wie viele Fragen er aufwarf und welche Vorahnungen sie in Bezug auf ihn beschlichen, würde Eve nicht behaupten, dass sie auf ihr nächstes Treffen vorbereitet wäre. Aber sie hatte letzte Nacht noch lange über ihn nachgedacht – so lange, wie es ihr gelungen war, die Augen offen zu halten – und hatte sich ein paar grundlegende Verhaltensregeln zurechtgelegt.
Wenn er im Büro auftauchte, würde sie erst einmal verhindern, dass er durch die Räume marschierte, Aufmerksamkeit auf sich zog und Spekulationen auslöste. Hazard war nicht der Typ, der unbemerkt auftrat. Sie wollte auch vermeiden, allein mit ihm in ihrem Büro zu sein, damit es nicht zu einem weiteren Vorfall wie dem im Parkhaus kommen würde. Das Klügste war, nach unten zu gehen und ihm in der Lobby entgegenzutreten, wo immer viele Leute waren und sie gehen konnte, wann sie wollte.
Alle, die mit Magie zu tun hatten – ob weiß oder schwarz –, versuchten, das zu verbergen. Nicht aus Angst. Kein Sterblicher konnte einem Magier etwas entgegensetzen, selbst wenn der Magier nur wenig Macht und Geschick hatte. Und wer immer sie gestern Nacht angegriffen hatte, gehörte definitiv nicht zu den Leichtgewichten der Magie. Diskretion war einfach bequemer. Je weniger die Blässlinge wussten, desto geringer war die Chance, dass sie einem in die Quere kamen oder Komplikationen verursachten oder unvorhergesehene Konsequenzen auslösten. Es endete nie gut, wenn Sterbliche versuchten, sich in die komplizierte und geheimnisvolle Welt der Magie einzumischen.
Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und starrte auf die riesige Karte von Rhode Island an der Wand, während sie darauf wartete, dass das Telefon klingelte. Die Karte war mit Post-it-Zetteln und farbigen Nadeln übersät, die sich auf Storys bezogen, an denen sie gerade arbeitete, aber im Moment dachte sie nicht an die Arbeit. Sie war nervös, was unter den Umständen wahrscheinlich normal war. Viel besorgniserregender war das andere Gefühl, das in ihr aufgestiegen war, sobald sie gemerkt hatte, dass Hazard da war: Vorfreude, fast schon Erregung. Wie eine kribbelige Sechzehnjährige saß sie mit klopfendem Herzen und feuchten Händen auf dem Stuhl und wartete darauf, dass ihr Date an der Tür klingelte.
Es war lächerlich. Hazard war kein Date. Nach allem, was sie wusste, war
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