Das Amulett der Zauberin: Roman (German Edition)
sie zu ihm, als er auf ihre Seite kam.
»Ist sie? Wieso?« Er schien ehrlich verwirrt.
»Wegen allem. Ihr die Tür aufzuhalten, ihr die Hand zu geben, sie ernst zu nehmen … habe ich da etwas gehört von wegen sie wäre bezaubernd?«
»Ich war lediglich höflich und habe mich benommen, wie es von einem Gentleman erwartet wird.«
»Im letzten Jahrhundert vielleicht. Heutzutage … eher nicht.«
Er zuckte mit den Achseln. »Ich war ein Gentleman, mehr nicht. Ich hatte nicht beabsichtigt, dass es als etwas anderes gedeutet wird.«
»Also, was Sie beabsichtigen und was eine Fünfzehnjährige sieht, ist nicht unbedingt dasselbe. Außerdem ist es nicht nur, was Sie tun oder sagen … Sie sind es, die Haare, das Gesicht, der Akzent. Ihre geheimnisvolle Ist-mir-egal-Ausstrahlung hilft ebenfalls.«
»Ist mir egal.«
»Und für Sie funktioniert es auch wunderbar, also bleiben Sie dabei.«
Er wirkte von ihren Beobachtungen verblüfft und ein wenig beunruhigt.
»Nun kommen Sie schon«, sagte Eve. »Sie müssen sich doch bewusst sein, welchen Effekt Sie auf Frauen haben. Manche Frauen zumindest«, fügte sie hinzu, damit er nichts in den falschen Hals bekam. »Besonders Mädchen in Rorys Alter sind empfänglich für Ihre einnehmende Art.«
»Einnehmend.« Er verzog widerwillig den Mund, als er das Wort aussprach. »Das ist nichts, was ich jemals sein möchte.«
»Wirklich?«, entgegnete sie und glaubte ihm kein Wort. »Die meisten Männer in meiner Bekanntschaft wären begeistert.«
Er sah ihr direkt in die Augen. »Es wäre ein Fehler, mich mit den anderen Männern in ihrer Bekanntschaft zu vergleichen.«
»Merk ich mir«, sagte sie und versuchte, den Ton leicht zu halten, obwohl weder in seiner Stimme noch in seinem Gesicht auch nur eine Spur von Humor lag. »Bevor wir fahren, möchte ich Ihnen dafür danken, dass Sie mir heute Abend geholfen haben. Außerdem will ich mich für die Art und Weise entschuldigen, wie ich in ihr Haus gestürmt bin und mit Beschuldigungen um mich geworfen habe. Ihnen ist sicher aufgefallen, dass ich ziemlich durch den Wind war.«
»Durch den Wind?«
»Sie wissen schon, angespannt. Besorgt.«
Er nickte. »Das ist verständlich.«
»Es ist trotzdem keine Entschuldigung dafür, voreilige Schlüsse zu ziehen … besonders, wenn es falsche Schlüsse sind. Ich konnte an nichts anderes denken, als dass ihr etwas zugestoßen sein könnte, und bin in Panik geraten. Und als ich auf ihrer Visitenkarte gesehen habe, wo Sie wohnen … also, das hat mich umgehauen.«
»Warum sollte das eine Rolle spielen?«
Sie drehte sich zum Haus um. »Weil ich hier einmal gelebt habe. Vor langer Zeit. Ich bin hier aufgewachsen. Ich konnte nicht glauben, dass es Zufall war, dass Sie von all den Häusern, in denen man in Providence leben kann, ausgerechnet hier wohnen.« Im Haus brannte Licht, und irgendetwas an der Tatsache, dass sie hier draußen stand und hinein schaute, verursachte ihr Heimweh. Was verrückt war, weil es schon seit langer Zeit nicht mehr ihr Zuhause war.
»Es hatte mal einen Wetterhahn«, erklärte sie, in erster Linie, um überhaupt etwas zu sagen. »Einen schwarzen Raben mit rubinroten Augen. Als ich ein Kind war, konnte ich überall in der Nachbarschaft hochschauen und sehen, dass er mich beobachtete. Ich wusste, dass es ein Zuhause gab und das gab mir … Sicherheit.«
Sie drehte sich um und merkte, dass er mit verschränkten Augen am Auto lehnte und sie mit einem Gesichtsausdruck musterte, den sie nicht entschlüsseln konnte.
»Warum fragen Sie mich nicht einfach?«
»Okay. Ist es einfach Zufall, dass Sie hier leben?«
»Es muss Zufall sein, denn als ich das Haus gekauft habe, wusste ich noch nicht einmal etwas von Ihrer Existenz und noch weniger, dass Sie hier einmal gelebt haben.«
Eve biss sich auf die Unterlippe, starrte ihm in die Augen und versuchte zu ergründen, ob sie ihm glaubte. »Würden Sie lügen?«
»Ja. Wenn es sein muss. Aber im Moment lüge ich nicht.«
Außer er log darüber, dass er log, dachte sie, aber es war sinnlos, sich in diesen Teufelskreis zu begeben.
»Sind Sie hier glücklich?«, fragte sie impulsiv.
Das ließ ihn kurz zögern. »Ich habe noch nie darüber nachgedacht. Ich denke nicht in den Kategorien ›glücklich‹ oder ›unglücklich‹. Und ich habe das Haus sicherlich nicht aus diesem Grund gekauft.«
»Warum haben Sie es dann gekauft?«
Wieder zögerte er. Eve hatte den Eindruck, dass er nach einer diplomatischen Antwort
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